Obama bekommt Druck von beiden Seiten

US-Linke haben kaum Hoffnungen auf Ende des Neoliberalismus unter dem neuen Präsidenten

  • Oliver Händler
  • Lesedauer: 3 Min.
Auf einer Tagung in Berlin diskutierten linke Wissenschaftler aus Nordamerika, was man vom neuen US-Präsidenten Barack Obama erwarten kann. Auch wenn die Skepsis groß ist, dass es zu einem Wandel kommt, gibt es doch Anzeichen zur Hoffnung.

Was kommt nach Bush? War die Wahl Barack Obamas Zeichen eines Linksrucks in den USA oder bleibt doch alles beim Alten? Diese Fragen wurden auf der Tagung »After Bush« der Rosa-Luxemburg Stiftung in Berlin diskutiert. Antworten sind bei einem Politiker wie Barack Obama, dessen Ansichten oft noch unbekannt sind, offenbar schwierig. So weiß auch die US-Linke nicht genau, ob sie sich freuen oder einen politischen Angriff auf Obama starten soll.

Stephen Gill, Professor für Politikwissenschaften aus Toronto, glaubt, dass Obama außenpolitisch am Dominanzstreben der USA festhalten werde. »Er wird minimale Änderungen einbringen, um mehr Unterstützung für die US-Führungsrolle zu erhalten.« Am prinzipiellen Rahmen der Außenpolitik – in den USA verbrauchen fünf Prozent der Weltbevölkerung fast ein Drittel der Weltenergie – wird sich nichts ändern. Daher wäre ein Politikwechsel höchstens durch die Konzentration auf erneuerbare Energien denkbar.

Auch dem Neoliberalismus wird Obama nicht entsagen. Er werde nur eine »nettere« Version einführen, ist Gill überzeugt. Ein bisschen Kompensation für die hart getroffene Arbeiterklasse und Mittelschicht, aber am System wird nicht gerüttelt. Ähnlich sieht das Professor Neil Smith von der University of New York: »Der Neoliberalismus ist zwar tot, aber noch immer dominant.« Es gebe keine Anzeichen dafür, dass Obama eine Alternative suche.

Der Kolumnist der »Washington Post«, Harold Meyerson, erwartet allenfalls einen »etwas sozialdemokratischeren Kapitalismus« von Obama. Dafür stehe auch das Kompetenzteam, das er sich für die Wirtschaftsprobleme gesucht hat. Viele davon seien schon in der Mannschaft von Bill Clinton gewesen und stünden für die Sicherung der Marktfreiheit, auch wenn sie Fehler etwa beim nordamerikanischen Freihandelsabkommen NAFTA und der Konzentration auf ein ausgeglichenes Staatsbudget einräumen. Bei Letzterem hat Ingar Solty von der York Universität in Kanada während des Wahlkampfes allerdings einen Rechtsruck von Obama selbst festgestellt.

Dieses Mal müsse die Regierung Geld für Investitionen ausgeben, fordert Wirtschaftsprofessor William Tabb. Das angekündigte Infrastrukturprogramm Obamas hält er für geeignet, neue Arbeitsplätze zu schaffen. Die Staatsschulden würden ohnehin steigen, weil durch die hohe Arbeitslosigkeit Steuerausfälle drohen.

Tabb rechnet mit Protesten der Republikaner gegen Obamas Ankündigung, den Markt stärker regulieren zu wollen. Da sich die republikanische Partei immer weiter von der gesellschaftlichen Mitte entferne, glaubt Harold Meyerson, dass die Proteste von rechts an Härte zunehmen werden. Daher müssten nach Ansicht von Neil Smith die Linken in den USA ihren Druck auf Obama ebenfalls verstärken, um einen Rechtsruck der Demokraten zu verhindern.

Eine wirkliche Linke europäischer Prägung ist in den USA aber kaum vorhanden. Darüber waren sich die Tagungsteilnehmer einig. Wenn überhaupt, ist sie in der gehobenen Mittelklasse, an Universitäten zu finden, ihre Basis in der Arbeiterklasse hat sie jedoch verloren. Somit hat die Arbeiterklasse auch keinen Zugang zur Regierungspolitik. Ein Sozialist – so der Vorwurf der Republikaner – ist Obama keineswegs. Aber immerhin interessierten sich die Amerikaner neuerdings dafür, was genau dieser Sozialismus sei, den alle so verteufeln, berichtet die Publizistin Harriet Fraad.

Geschichtsprofessorin Barbara Epstein sieht eine Chance in den drei Millionen organisierten Obama-Unterstützern. Viele von ihnen sehnten sich danach, für etwas mobilisiert zu werden. Sie müsse man nun gewinnen, um Regierungsinterventionen einzufordern, die nicht die Banken retten, sondern den Sozialstaat.

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