Aufstieg eines Kaukasusvolks

Das Ethnologische Museum präsentiert noch diese Woche »Aserbaidschan – Land des Feuers«

  • Volkmar Draeger
  • Lesedauer: 3 Min.
»Die sieben Schönheiten«, 16. Jahrhundert
»Die sieben Schönheiten«, 16. Jahrhundert

Wer Baku besucht hat, erinnert sich an zahllose Bohrinseln auf dem Kaspischen Meer, riesige Plätze, arabische, europäische wie auch sowjetisch getönte Prachtbauten, schmale Gassen mit orientalischem Flair – und an die Kolossalstatue Nizamis in Denkerpose. All das und weitaus mehr mischt sich in einem Land mit so alter wie wechselvoller Historie. Die kann man derzeit in einer einzigartigen Ausstellung vertiefend kennenlernen.

»Aserbaidschan – Land des Feuers« trägt nahezu 5000 Jahre Geschichte von den Anfängen bis zur unmittelbaren Gegenwart zusammen, präsentiert Kultur, Kunst und Lebensart eines Kaukasusvolks, das sich so umfangreich nie zuvor im Ausland dargestellt hat. Anlass ist das Jahr Aserbaidschans in Deutschland, die Exposition neben Aktivitäten in weiteren Städten sein Höhepunkt. Nationale Museen, Berliner und Dresdner Einrichtungen haben dafür hochrangige Leihgaben zur Verfügung gestellt.

Ausgrabungen belegen, dass das Gebiet der heute von Russland, Georgien, Armenien und dem Iran eingegrenzten Republik Aserbaidschan bereits vor 10 000 Jahren zum Kernraum des Bodenbaus im Vorderen Orient gehörte. Ab Mitte des 4. Jahrtausends entstanden bronzezeitliche Siedlungen einer ersten Kultur, ab der frühen Eisenzeit verweisen die auch durch deutsche Archäologen ergrabenen Reste von Befestigungsanlagen und Monumentalbauten auf staatsähnliche Strukturen.

Bis ins 9. Jahrhundert der Neuzeit hatte das fast 1000 Jahre existierende, rasch christianisierte Albanische Königreich Bestand, schon um 700 wurde die Gegend arabisch erobert und islamisiert. Aus dieser Frühphase zeigt die übersichtlich gegliederte Exposition Rinderfigürchen, bemalte Tongefäße, Kännchen, Kriegsgerät, Münzen, aber auch Perlen und einen aus Ägypten importierten Flakon für Augenschminke.

Im Mittelalter erbauten unter seldschukischer Herrschaft Architekturschulen Burganlagen und Mausoleen, von denen wundervoll ornamentierte Steinfragmente künden, erlebten Keramik und Handschriften ihre Blütezeit. Wertvolle Bücher unter Glas, original oder in späterer Abschrift, etwa die fünf Themenbände des persischsprachigen Poeten Nizami, weisen den hohen Stand von Dichtkunst, Medizin, Wissenschaft aus. Das aserbaidschanische Volk formiert sich unter türkischer Sprache, wird 1235 von den Mongolen, 1390 mit wenig schmeichelhaftem Kommentar von Timur erobert, dann von dessen Nachfolgern und turkmenischen Gruppen umkämpft. Lokale Fürsten geben kalligrafische Schriften mit Miniaturmalerei in Auftrag.

Mit der Eroberung Bakus 1806 durch die Russen beginnt eine kriegsreiche Phase, und als Europa vom aserbaidschanischen Erdöl erfährt, entzündet sich schlagartig sein Interesse. Die Stadt weitet sich aus, auch durch einwandernde Abenteurer, gerät unter Europas Einfluss. Einer auf zwei Jahre befristeten Ersten Republik Aserbaidschan folgen die sowjetische Ära, seit 1991 die Zweite Republik. Tradition, wie Trachten, Teppiche, Schmuck, Musikinstrumente sie verkörpern, steht fortan neben Importen wie Agitprop-Plakat, Oper, Ballett, Satirezeitschrift. Dass gerade jene übernommenen Künste ebenso zu Eigenständigkeit fanden wie die bis aus dem Jahr 2007 datierende Malerei, originell, kraftvoll und reich an nationalen Sujets, macht Aserbaidschan zur künstlerischen Entdeckung schlechthin.

Bis 16.11., Ethnologisches Museum, Lansstr. 8, Dahlem, Telefon 830 14 38, Infos unter www.smb.museum

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