IEA fordert Energierevolution
Die Internationale Energieagentur warnt vor hohen Ölpreisen
London (ND-Schmidt/AFP). Selbst den langjährigen Predigern unendlicher fossiler Energiereserven wird inzwischen beim Blick in die Zukunft mulmig. IEA-Chef Nobuo Tanaka wies bei der Vorstellung des jährlichen Weltenergieausblicks der Organisation am Mittwoch darauf hin, dass bei unveränderter Energiepolitik im Jahr 2030 45 Prozent mehr Energie gebraucht als heute, vor allem weil der Bedarf in China und Indien zunehme und auch im Nahen Osten die Nachfrage wachse. Zugleich würde der CO2-Ausstoß um 45 Prozent steigen.
Öl werde zwar noch über viele Jahre die wichtigste Energiequelle bleiben, hieß es in dem Ausblick. Es sei aber unklar, woher es komme und wie teuer es sein werde. »Eines ist sicher«, erklärte der Leiter der Energieagentur, »die Zeit des billigen Öls ist vorbei.« Der Rohölpreis wird nach Einschätzung der Agentur in den kommenden Jahren wieder auf über hundert Dollar steigen. Im Schnitt sei für den Zeitraum von 2008 bis 2015 mit einem Preis von 100 Dollar pro Barrel (159 Liter) zu rechnen. Bis 2030 werde er dann die 200-Dollar-Marke überschreiten. Werde die Inflation herausgerechnet, entspreche dies etwa 120 Dollar in heutigen Preisen.
Die Art, wie sich Energiereserven und Energieverbrauch derzeit entwickelten, sei »offenkundig nicht nachhaltig«, kritisierte Tanaka. Weder aus Umweltgründen noch wirtschaftlich und gesellschaftlich könne es weitergehen wie bisher, mahnte er. Beim geplanten Klimagipfel der Vereinten Nationen im kommenden Jahr in Kopenhagen müssten die Teilnehmer »einen neuen, weltweiten Klimavertrag« aushandeln. Energie müsse künftig effektiver genutzt werden und zugleich weniger Kohlendioxidausstoß verursachen.
Die IEA sprach von einer »deutlichen Anpassung« ihrer viel optimistischeren Vorhersage aus dem Vorjahr, nachdem sie »die Perspektiven von Produktionskosten und Nachfrage neu bewertet« habe. Vor einem Jahr hatte die Organisation noch mit einem Rückgang des Preises auf 70 Dollar bis zum Jahr 2015 gerechnet und bis 2030 lediglich einen Anstieg auf 108 Dollar vorhergesagt. Parallel dazu korrigierte die IEA ihre Verbrauchsprognose nach unten. Hatte sie 2007 noch eine Nachfrage von 116,3 Millionen Barrel pro Tag für das Jahr 2030 erwartet, so sind es jetzt nur noch 106,4 Millionen Barrel.
Trotz aller Korrekturen behauptet auch der jüngste Energieausblick, die weltweiten Ölvorräte seien ausreichend, um auch die erwarteten Verbrauchsteigerungen über die nächsten 40 Jahre zu befriedigen, da sich allein die weltweit nachgewiesenen Ölreserven seit 1980 fast verdoppelt hätten. Zu denken allerdings gibt, dass es sich bei dieser Steigerung nach IEA-Auskunft hauptsächlich um eine Neubewertung bekannter Reserven handelt, nicht um neu entdeckte Vorkommen. Im Übrigen rechnet die IEA in starkem Maße mit wahrscheinlichen Reserven, die jeweils erst zu sichern und erschließen sind sowie mit unkonventionellen Quellen, wie Ölsand und Ölschiefer, deren Nutzung ziemlich teuer ist. Dennoch erwartet die IEA, dass die Ausbeutung einiger solcher Vorkommen, etwa in der kanadischen Provinz Alberta, bei der prognostizierten Preisentwicklung voraussichtlich Ende 2009 rentabel wäre.
Allerdings sieht auch die IEA eine Bedrohung der kontinuierlichen Befriedigung des Ölbedarfs: Die Fördermengen auf den bekannten Ölfeldern gehen zunehmend schneller zurück und es ist unklar, ob die Investitionen in die Erschließung neuer Vorkommen schnell genug für Ersatz sorgen werden. Und das, obwohl diese Investitionen im Jahre 2007 inflationsbereinigt bereits 70 Prozent höher lagen als im Jahre 2000. Überdies bemängeln Experten, dass die zugrunde liegenden Förderdaten insbesondere bei vielen OPEC-Ländern keiner unabhängigen Kontrolle unterliegen, also keineswegs klar ist, ob der errechnete Förderückgang realistisch ist.
Wie sich die IEA die von ihrem Chef Tanaka angesichts dieser Unsicherheitsfaktoren geforderte Energierevolution vorstellt, bleibt im Ausblick recht vage. Die Energieeffizienz – und damit die Klimabilanz – will man verbessern, indem ein globaler Markt für CO2-Emissionsrechte geschaffen wird, flankiert von finanziellen Anreizen und staatlichen Vorschriften.
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