nd-aktuell.de / 13.11.2008 / Kultur / Seite 12

Als das Paradies verloren war

Jutta Richter erzählt von Adam und Eva

Irmtraud Gutschke

Ich hatte geglaubt, sie wäre ein Teil von mir«, erinnert er sich. Doch plötzlich ist ihm gewesen, als stünde ein zweiter Adam an der Tür. Der sah den gewölbten Leib der Frau, das aufgedunsene Gesicht, ihre Gier, ihre Rechthaberei, ihre Streitsucht. Es ist ein schlimmer Moment in jeder Zweisamkeit: wenn das Einssein sich auflöst, wenn die Verliebtheit erlischt. Es sei ein normaler Vorgang, wird einem heute erklärt, eine Sache der Hormone. Die wahre Liebe würde erst beginnen, wenn man aus dem siebten Himmel zurück auf der Erde ist. Beschwichtigungen, Ermutigungen. Und wenn alles kaputtgeht, was der Mensch sich erträumte?

Jutta Richter erzählt von Adam und Eva: wie der Mann erst ganz zufrieden war im Garten des Herrn, der ihm zu eigen wurde durch seiner Hände Arbeit – bis er zum ersten Mal diesen Traum träumte von einer Frau im blauen Kleid und Kindern auf seinen Knien. Hat mit dem Wünschen allein sein Unglück schon angefangen? Dass Eva den Apfel essen musste, ein Begehren, gegen das sie nichts konnte, wieso musste es den Herrn so erzürnen? Ist der Verlust der göttlichen Gleichmut der Beginn allen Übels gewesen?

Die Autorin, die katholische Theologie studierte, stellt solche Fragen nicht. Doch sie ist ganz im Mitgefühl für Adam, in dem ja die Erinnerung an den Garten Eden noch lebt. Der nun alles tut, seiner Familie wieder so einen Garten anzulegen und dabei so in sich vergraben ist, dass er vernachlässigt, was ihm doch seine Liebe, das Wertvollste war. Und auch Eva ist ganz in ihren häuslichen Geschäften, mit ihren Kindern. Streit wird vermieden, aber im Innern ist er schon da. Jeder ein Ich. Die Freiheit ein Drama.

In bebender Sprache holt Jutta Richter eine alte Geschichte so selbstverständlich ins Heute, als ob sie nie fern gewesen wäre. Und der Leser, der sie kennt bis zu dem Punkt, als Kain seinen Bruder Abel erschlug, fragt sich die ganze Zeit über, wo etwas gutzumachen wäre. Wenn er es für einen Moment weiß, kommen ihm all seine eigenen Verfehlungen in den Sinn. Hätte Adam dem Zetern seiner Frau nicht mit Liebe, der Überheblichkeit seines Sohnes Kain nicht mit Humor begegnen können? Unvollkommene Schöpfung des Herrn, der sich erst nicht mäßigen kann in seinem Strafen-Wollen und dann sich von Kain einfach in den Dreck werfen lässt.

Jutta Richter: Der Anfang von allem. Carl Hanser Verlag. 104 S., geb., 12,90 EUR.