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Mitbestimmung im Bundestag

Gutachten gibt grünes Licht für betriebliche Interessenvertretung

  • Günter Frech
  • Lesedauer: 2 Min.
Ein – noch unveröffentlichtes – Gutachten bestätigt es: Eine betriebliche Interessenvertretung der Mitarbeiter von Bundestagsabgeordneten greift nicht in die Ausübung des »freien Mandats« ein. Damit ist der Weg geebnet zu Personalratswahlen und mehr Mitbestimmung im Bundestag.

Seit gestern ist es gutachterlich bestätigt: Der Deutsche Bundestag darf keine mitbestimmungsfreie Zone sein. Zu diesem Schluss kommt der Staats- und Verwaltungsrechtler Bodo Pieroth von der Universität Münster, der im Auftrag des Ältestenrates das Gutachten erstellt hat.

Wie eine Verwaltung

Der renommierte Jurist, der zahlreiche Standardtexte und Lehrbücher zu Verfassungs- und Grundrechten schrieb, trug sein Gutachten gestern in getrennten Veranstaltungen der Personalkommission des Ältestenrates und handverlesenen Mitarbeitern aus allen fünf Bundestagsfraktionen vor.

Wie Teilnehmer der Veranstaltungen berichteten, argumentierte Pieroth, die Beteiligungsrechte von Beschäftigten seien im deutschen Recht flächendeckend vorgesehen. Das Gutachten – das vom Ältestenrat noch nicht zur Veröffentlichung freigegeben ist und den Fraktionsmitarbeitern gestern nicht vorlag – war notwendig geworden, nachdem verschiedene Versuche von Beschäftigten der Mandatsträger der Linksfraktion, einen Betriebsrat zu wählen, gescheitert waren.

Zum einen ging es um die Finanzierung der Betriebsratsarbeit. Die Ausführungsbestimmungen der Bundestagsverwaltung zur Verwendung der Abgeordnetenpauschalen sahen dafür keine Mittel vor. Zudem hatten Abgeordnete aus allen Fraktionen das Argument vorgebracht, eine betriebliche Interessenvertretung hindere sie an der vom Grundgesetz garantierten freien Ausübung ihres Mandats. Dies verneinte der Gutachter, da die Mitarbeiter nicht unmittelbar in die Gesetzgebung eingreifen würden.

Beobachtern zufolge soll Pieroth argumentiert haben, weil Abgeordnete Teil der legislativen Staatsgewalt seien, müssten sie wie eine öffentliche Verwaltung behandelt werden. Dafür sei das Bundespersonalvertretungsgesetz zuständig und dieses sei grundsätzlich auf Abgeordnetenbüros anwendbar. Das Gesetz regelt die Mitspracherechte der Beschäftigten in Einrichtungen des Bundes und sieht Personalräte als Interessenvertretung vor. Ihre Rechte sind jedoch nicht so weitgehend wie die von Betriebsräten.

Damit ist nun also der Weg geebnet, dass auch die persönlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bundestagsabgeordneten eine betriebliche Interessenvertretung wählen können.

Abstimmung mit ver.di

Bisher hatten die Beschäftigten und die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di die Anwendung des Betriebsverfassungsgesetzes favorisiert – und damit die Wahl von Betriebsräten. Auch der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages war 2006 in einer Expertise zu dem Ergebnis gekommen, dass auf der Ebene der Abgeordnetenbüros das Betriebsverfassungsgesetz anzuwenden sei. Pieroth soll offen gelassen haben, ob dessen Anwendung im Bundestag gegen geltendes Recht verstoße.

Sobald sie das Gutachten zur Kenntnis genommen haben, werden die Mitarbeiter der Linksabgeordneten ihr Vorgehen mit ver.di abstimmen. Die Gewerkschaft war zu den gestrigen Veranstaltungen nicht eingeladen.

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