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Blindbuchungen am Spreeufer

Statt den Spreeraum neu zu denken, verlassen die Investoren das sinkende Schiff Mediaspree

  • Christoph Villinger
  • Lesedauer: 3 Min.
Viele Wasserbaustellen möglich – aber wann und was? ND-
Viele Wasserbaustellen möglich – aber wann und was? ND-

»Wann wird denn der Beton nun wirklich gemischt?«, fragte Professor Martin Wiebel am Dienstagabend auf einer Podiumsdiskussion in der »Bar 25« zu einem »möglichen Neuanfang« beim Spreeraum. Für den Vertreter des Rudolf-Kiezes haben »die Investoren nur Blindbuchungen, die zwar auf beschlossenen Bebauungsplänen stehen«, aber nichts passiere. Wie leicht notfalls ein B-Plan zu ändern sei, zeige dass Beispiel der HVB Immobilien GmbH in der Oberbaum-City, die ein »Parkhaus kurzerhand in Stadtvillen« veränderte.

Geladen hatte zu der hochkarätig besetzten Veranstaltung die Friedrichshain-Kreuzberger SPD, die sich beim Thema Mediaspree in Opposition zur Landes-SPD übt. Zwar säßen »alle wesentlichen Akteure an einem Tisch«, sagte Moderator Volker Härtig. Doch vom Anspruch nach »neuen Leitbildern für den Spreeraum« war man an diesem Abend weit entfernt.

»So eine Aufgabe gehört in die Führungsebene einer Stadt«, forderte die parteilose Staatsrätin a. D., Ulla Luther, die sowohl in der flächenmäßig vergleichbaren Hafen-City in Hamburg als auch an der Umgestaltung des Überseehafens in Bremen mitarbeitete. Diplomatisch bezeichnete sie die Berliner Verwaltung als »fachlich leicht inkompetent«, um sich dann über das fehlende Interesse des Senats am Thema zu beklagen. »Alle Kraft fließt in die Gebiete an der Heidestraße nördlich des Hauptbahnhofs und in das Tempelhofer Flugfeld«, sagte sie, und zwischen den Zeilen konnte man heraushören, dass wohl auch die Investorenkarawane schon weitergezogen ist. Es gebe ein Überangebot an Flächen in der Stadt, und in wenigen Jahren komme noch der Flughafen Tegel hinzu. »Berlin fehlen mindestens eine Million Einwohner«, meinte Luther.

In die selbe Richtung ging die Nachfrage von Volker Härtig, warum die Investoren mit ihren gültigen B-Plänen in der Tasche nicht sofort losbauen. Dazu plauderte Stefan Sihler, Inhaber von Labels Berlin und Sprecher der Investoren aus dem Nähkästchen. »Keine Bank kreditiert mehr einen Neubau, bei dem vor Baubeginn nicht 50 bis 60 Prozent Vermietung nachgewiesen sind.« Dazu passend erzählte Härtig, dass die jahrelang leerstehenden Trias-Gebäude an der Jannowitzbrücke vor kurzem für zehn Euro pro Quadratmeter an die BVG vermietet wurden und dass der Treptower »zum Teil leer steht«.

Doch auch Carsten Joost als Vertreter der Bürgerinitiative »Mediaspree versenken« meinte, dass »Berlin nicht mehr einen Euro für die Spree übrig hat«. Zwar setzte er sich vehement für ein Verbleiben der Zwischennutzer wie die »Bar 25«, das frisch gekündigte »Yaam« und die »Maria am Ostbahnhof« ein. Wirkliche Vorschläge, wie zum Beispiel das riesige Gelände von Dämmisol an der Schillingbrücke genutzt werden kann, hatte auch er nicht. »Solange der Senat weiter auf maximale Verwertung besteht und die Grundstücke nicht kostenlos an Initiativen übergibt«, so Joost, profitiere bei einer Vergabe an kleinteilige Baugruppen auch nur der gehobene Mittelstand.

Deshalb ergriff am Ende Professor Martin Wiebel aus dem Rudolfkiez noch einmal das Wort und forderte einen »sofortigen Baustopp« zum Nachdenken über ein neues Leitbild an der Spree, damit nicht noch »mehr Mist gebaut wird«.

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