Werbung

Ultimaten in Serienproduktion

Seit Monaten wartet Greifswald auf 60 Millionen Euro aus dem Verkauf der Wohnbaugesellschaft WVG

  • Velten Schäfer
  • Lesedauer: 3 Min.
Zum wiederholten Mal hat Greifswald dem Käufer seiner Wohnbaugesellschaft ein Ultimatum gestellt. Doch das Geld will nicht eintreffen. Vor einer Klage jedoch schreckt die Stadt offenbar zurück – der Bürgerschaftsbeschluss zum Verkauf scheint anfechtbar.

Es hat schon eine Menge »Ultimaten« gegeben im Zusammenhang mit dem Verkauf von 49,9 Prozent der Greifswalder kommunalen Wohnungsgesellschaft WVG. Nun gibt es ein neues: Bis zum 30. November soll der Investor »Kommunale Wohnen AG« (KWG) den Kaufpreis von gut 60 Millionen Euro an die Stadt entrichtet haben. Nachdem der Verkaufsentscheid von Oberbürgermeister Arthur König (CDU) während des Sommers im Eildurchgang durch die Bürgerschaft gebracht worden war, hätte die Zahlung eigentlich bis zum 31. Juli erfolgen sollen. Doch die Millionen wollen einfach nicht eintreffen, noch immer nicht. Dass das Geld bis Monatsende tatsächlich eintrifft, darauf würde am Bodden derzeit kaum jemand wetten wollen. Das letzte »Ultimatum« war schließlich erst zu Monatsbeginn ausgelaufen.

Ist der Investor in Zahlungsschwierigkeiten?

Dass mit dem Geld so bald nicht zu rechnen ist, belegt auch der Haushaltsentwurf für 2009, über den derzeit beraten wird: die 60 Millionen sind dort nicht einbezogen. Wohl aber die Rekordausschüttung von sechs Millionen Euro, die die noch zu hundert Prozent kommunale WVG im letzten Geschäftsjahr ausgeschüttet hat. Dass die Wohnbaugesellschaft in Zukunft immer so viel abwerfen wird, ist ausgeschlossen, denn dieses Jahr sind auch Sondereffekte in der Bilanz. Die KWG hat ihren Aktionären allerdings eine jährliche Rendite in dieser Größenordnung versprochen. »Ohne Abstriche beim Personal oder bei der Gebäudeinstandsetzung ist das nicht zu machen«, sagt der Greifswalder LINKE-Geschäftsführer Marian Kummerow.

Was hinter dem monatelangen Zahlungsverzug steht, bleibt rätselhaft. Sowohl das Rathaus als auch der Investor haben wiederholt betont, dass sie am abgeschlossenen Kaufvertrag festhalten wollen – gleichzeitig hegt die KWG offenbar Zweifel an dessen Gültigkeit. Vier Bürgerschaftsabgeordnete aus SPD, LINKE und Grünen waren wegen möglicher Formfehler bei der hastigen Entscheidung in der Bürgerschaft vor Gericht gezogen, um eine Eilverfügung zu erwirken. Dort waren sie aus wiederum nur formalen Gründen abgewiesen worden. Auch die KWG hat bereits Zweifel an der Gültigkeit des Vertrags ausgesprochen, obwohl sie andererseits an ihm festhalten will. In der Bürgerschaft kursieren schon seit längerem Gerüchte über eine mangelnde Zahlungsfähigkeit des Investors – erst Recht nach der Eskalation der globalen Finanzkrise vor wenigen Wochen.

»Die Stadt weiß offenbar nicht mehr weiter«, kommentiert der Greifswalder LINKE-Geschäftsführer Marian Kummerow die verfahrene Situation. Schon im September hatte Oberbürgermeister König eine Klage gegen die KWG angekündigt. Schließlich laufen hohe Verzugszinsen auf, die laut Oberbürgermeister mittlerweile über 1,5 Millionen Euro betragen. Doch wahrgemacht hat die Stadt diese Drohung noch immer nicht. »Jetzt rächt sich das möglicherweise unsaubere Beschlussverfahren in der Bürgerschaft«, so Kummerow. Eine Niederlage in einem Verfahren mit einem Streitwert von 60 Millionen Euro kann sich Greifswald nicht erlauben.

Freihändiger Auftrag an Parteifreund

Deshalb hat die Stadt bei der örtlichen Kanzlei Hardtke, Svensson und Partner (HSP) ein Gutachten bestellt, das die Stadt laut einer kleinen Anfrage der LINKEN knapp 12 000 Euro kostet. Pikanterweise ist Frank Hardtke ein prominentes CDU-Mitglied vor Ort. Die LINKE will nun überprüfen, ob die nach Aussage des Oberbürgermeisters »freihändig« erfolgte Auftragsvergabe rechtens gewesen ist – oder ob ein Beschluss des Hauptausschusses erforderlich gewesen wäre.

Nun rät die Kanzlei HSP, bei weiterem Zahlungsverzug nur ein Teilverfahren anzustreben. Sollte es verloren gehen, wäre der Schaden für die Stadt weniger groß. Die Opposition bemängelt derweil, dass es für eine »strategische Anlage« der WVG-Millionen kein tragfähiges Konzept gebe. Wenn sie denn in nächster Zeit tatsächlich einträfen.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal