nd-aktuell.de / 18.11.2008 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 11

Hartz-IV-Bezieher in Köln sollen sparen

Bundesregierung kritisiert Vorgehen der Arge

Grit Gernhardt
Mit 351 Euro monatlich kann man keine großen Sprünge machen. Die Arge in Köln sieht das aber offenbar anders und verpflichtet Hartz-IV-Bezieher zum Sparen. Die Bundesregierung hält die Praxis für »nicht zielführend«.

Im September 2008 erschien eine viel diskutierte Studie des Chemnitzer Wirtschaftsprofessors Friedrich Theißen. Grundtenor des Papiers: Mit 132 Euro könne ein Hartz-IV-Bezieher über den Monat kommen. Das wäre ein Drittel des derzeit gültigen Regelsatzes von 351 Euro. Auf alle Luxusgüter müsse verzichtet werden, ein Euro für Kultur und Unterhaltung wird den Leistungsbeziehern aber zugestanden.

Bei der für Arbeitslosengeld (ALG)-II-Bezieher zuständigen Arbeitsgemeinschaft (Arge) in Köln scheint man sich dieser Argumentation angeschlossen zu haben: Seit einiger Zeit verlangt die Grundsicherungsbehörde von den Antragstellern, dass sie eine »Belehrung« unterschreiben, die eigentlich eine Verpflichtungserklärung ist. Darin heißt es, dass die »Leistungsbezieher aus der monatlichen Regelleistung Teilbeträge ansparen müssen, um Rücklagen zu bilden«. Daraus sollen dann beispielsweise Renovierungen, Familienfeste oder Stromnachzahlungen finanziert werden. Wer die Vereinbarung nicht unterschreibe oder sich nicht daran halte, dessen Arbeitslosengeld II könne gestrichen und durch Sachleistungen ersetzt werden, so die Arge.

Sparen vom Hartz-IV-Regelsatz? Erwerbslosen- und Sozialverbände kämpfen seit Jahren gegen die niedrigen Regelsätze, die mit dazu beigetragen haben, dass Armut in Deutschland immer mehr Menschen betrifft. Gesunde Ernährung, Freizeitgestaltung und überhaupt die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben seien mit 351 Euro nicht möglich, so die einhellige Meinung von Gewerkschaftern, Sozialverbänden und der Partei DIE LINKE.

Auch die Bundesregierung kritisierte die gängige Praxis der Arge Köln. In der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion heißt es, dass die geschilderte Vorgehensweise abgelehnt werde, da sie »nicht zielführend« sei. Zudem bestehe für Arbeitslosengeld-II-Bezieher keine gesetzliche Verpflichtung zur Bildung von Rücklagen.

Das hatten Erwerbsloseninitiativen auch betroffenen Kölnern erklärt, die sich hilfesuchend an sie gewandt hatten. Bisher blieb ALG-II-Beziehern aber nur, eine Eingabe zu machen. Das Erwerbslosenforum und der Kölner Verein Die KEAs e. V. begrüßten deshalb in einer gemeinsamen Erklärung die Ankündigung des Bundesarbeitsministeriums, bei der Arge Köln darauf zu dringen, dass die Belehrungen abgeschafft werden.