nd-aktuell.de / 19.11.2008 / Politik / Seite 8

Tusk will Burgfrieden in Polen

Scharfe Kritik der Opposition zum ersten Jahrestag des Regierungsantritts

Julian Bartosz, Wroclaw
Zum ersten Jahrestag seiner Regierungsübernahme schlug Polens Premier Donald Tusk dem Oppositionsführer Jaroslaw Kaczynski und dessen Bruder Lech, dem Staatspräsidenten, einen »Waffenstillstand« vor.

Wie Hans im Glück ließ Donald Tusk in einem Fernsehinterview wissen, dass seine Regierungsmannschaft viel geleistet habe und wisse, wie es mit Polen weiter gehen soll. Wolle man die Folgen der Weltwirtschaftskrise abwenden, das Land auf den Beitritt zur Eurozone am 1. Januar 2012 vorbereiten und die Reformen des Gesundheitswesens und des Rentensystems vorantreiben, sei einheitliches Vorgehen verlangt, betonte Tusk auf einer Konferenz seiner Bürgerplattform (PO) am Wochenende. Das Wohl des Landes und seiner Bürger erfordere eine »konstruktive Opposition«.

Nur Stunden später erteilte Jaroslaw Kaczynski dem Regierungschef eine scharfe Absage. Der Begriff »konstruktive Opposition« erinnere ihn an längst vergangene Zeiten, höhnte der Chef der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS). Sein Verantwortungsgefühl verpflichte ihn geradezu, die Projekte der PO abzulehnen. Die auf Privatisierung hinauslaufende Gesundheitsreform und die Straffung der Rentengesetze – von der PO als Maßnahmen zur Rettung der Finanzen gepriesen – seien gegen die Bürger gerichtet. Auch über die Euro-Pläne für 2012 spottete der PiS-Chef. Gerade erst habe der Premier in Frankfurt am Main von den Bossen der Europäischen Zentralbank erfahren, dass vor dem Eintritt ins Euroland die Maastricht-Kriterien erfüllt werden müssten, was er als Premier eigentlich hätte wissen müssen. Diese Kriterien zögen allerdings weitere Streichungen von Sozialausgaben nach sich, womit die PiS keinesfalls einverstanden sein werde. Und unbedingt müsse vor der Einführung des Euros das Volk befragt werden.

Das gerade will die PO vermeiden. Sie argumentiert, eine Vorentscheidung sei bereits mit dem Referendum zum EU-Beitritt 2004 getroffen worden und das Volk könne die großen Vorteile einer Einheitswährung für die Wirtschaft Polens kaum beurteilen. Das sei Expertensache.

Wieder einmal fügt es sich, dass Standpunkte und Urteile der rechtskonservativen, sozial verbrämten PiS mit denen der etablierten Linken übereinstimmen. Grzegorz Napieralski, Chef des Bündnisses der Demokratischen Linken (SLD), kritisierte die PO-Projekte genauso scharf wie die PiS. So entsteht der Eindruck, dass zwei entgegengesetzte politische Kräfte Hand in Hand gehen. Donald Tusk wird dies zu nutzen wissen, um seine Position zu stärken. Diese ist übrigens laut Umfragen gar nicht schlecht. Über 50 Prozent der Befragten stimmen für die Tusk-Partei, zwei Mal so viel wie für die PiS und fast zehn Mal so viel wie für das SLD. Dabei kann die PO keine größeren Erfolge vorweisen. Tusk (»Wir sind keine Mannschaft von Genies«) rühmte sich ob des Rückzugs aus Irak und der Verständigung mit den USA über den Raketenschild. Was er wirklich auf der Habenseite verbuchen kann, das ist seine behutsame Ostpolitik, das Bemühen um eine Verständigung mit Moskau. Sein Außenminister Radoslaw Sikorski meinte in diesem Zusammenhang, man könne doch nicht ewig wie ein Dackel herumlaufen und bellen.