»Wir müssen General Motors loswerden«

Ruf nach Selbstständigkeit bei Opel Rüsselsheim / Bund und Länder ringen um Rettungspaket

  • Jürgen Elsässer
  • Lesedauer: 3 Min.
Am heutigen Mittwoch stimmt der hessische Landtag über einen Schutzschirm für Opel ab.

In der hessischen Opel-Metropole ist man sich über die Krise des Autobauers einig. »Die Ursachen liegen nicht in Rüsselsheim, sondern in Detroit«, sagte Oberbürgermeister Stefan Gieltowski (SPD). Die Wut auf die US-amerikanische Konzernzentrale hat ein »Spiegel«-Reporter in der ganzen Stadt zu spüren bekommen. »Staatliche Hilfe wäre gut, weil sie eine gewisse Sicherheit bietet. Aber die Verbindung zu General Motors muss weg«, schimpfte eine Passantin. »Sonst versickert das Geld wieder in Amerika«, ergänzte ein Anderer. Ein Dritter formulierte drastisch: »Die Deutschen machen gute Arbeit, und die Amis saugen uns als Dankeschön aus.« Der Reporter fasst zusammen: »Das ist jetzt der kleinste gemeinsame Nenner der Rüsselsheimer.«

Auch der Gesamtbetriebsrat (GBR) von Opel sieht das so. »Wir müssen von General Motors unabhängig werden und für 2009 das Geld für das Investitionsprogramm in neue Produkte selbst Cash auf der Hand haben«, meint GBR-Vorsitzender Klaus Franz. Armin Schild, Leiter des IG-Metall-Bezirks in Frankfurt am Main, gab an die Adresse von Detroit die Parole aus: »Gebt Opel frei!«

Die Politiker spüren diese Stimmung. Vor der heutigen Abstimmung im hessischen Landtag ist es vor allem die FDP, die über ihren pro-amerikanischen Schatten gesprungen ist. »Es ist ein Skandal, dass GM als ›miese Heuschrecke‹ durch ihr Missmanagement allein in Hessen 50 000 Arbeitsplätze – inklusive der Zulieferer – bedroht«, erregte sich der Landes- und Fraktionschef der Liberalen, Jörg-Uwe Hahn. Die FDP will einen Antrag zur Abstimmung stellen, der die »Herauslösung« Opels aus der Verbindung mit General Motors als »erstrebenswert« bezeichnet. Die Grünen und die LINKE unterstützen die Liberalen an diesem Punkt. Der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gehen zwar nicht so weit, legen jedoch beide Wert darauf, dass deutsche Steuergelder zur Sicherung der Liquidität von Opel keinesfalls in die USA abfließen dürfen.

Die Sorgen sind berechtigt. General Motors fürchtet für 2009 die Insolvenz und würde in diesem Fall von Zahlungsverpflichtungen befreit werden. Damit wären etwa zwei Milliarden Euro, die die Konzernmutter der deutschen Opel-Tochter schuldet, verloren. Bereits im laufenden Jahr hat Detroit die europäischen Standorte kräftig ausgesaugt: Im dritten Quartal wurden Verluste des Gesamtkonzerns auf Opel gebucht, so dass das Europageschäft ein Minus von 780 Millionen Euro ausweisen musste. In etwa der selben Größenordnung verlangt nun Detroit von den deutschen Unternehmensteilen Sparmaßnahmen – vor dem Hintergrund, dass Opel in den vergangenen Jahren schon massiv Jobs abgebaut hat.

Während die hessische Bürgschaft in Höhe von 500 Millionen Euro am heutigen Mittwoch wohl mit der Unterstützung aller Fraktionen durch den Landtag verabschiedet wird, ist die Lastenverteilung für den eine Milliarde Euro schweren Opel-Schutzschirm auf nationaler Ebene zwischen Bund und Ländern weiter umstritten. Nach einem Treffen mit der Bundeskanzlerin äußerte sich der Eisenacher Betriebsratschef Harald Lieske am Dienstag enttäuscht über die Vertagung der Entscheidung auf Weihnachten. Für ihn ist das eine »Hängepartie«. Er sieht auch die Möglichkeiten einer kurzfristigen Trennung von General Motors skeptisch.

In den USA selbst sind weitere Hilfen für die Autobauer fraglich. Der Antrag der Demokraten im Kongress auf zusätzliche 25 Milliarden Dollar wird bis dato durch die Republikaner blockiert. Noch-Präsident George W. Bush sperrt sich dagegen, diese Summe dem Bankenrettungsfonds zu entnehmen. Kommentar Seite 4

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