Unsere Besten!

Regenschirme, Opel, Merckle & Co

  • Christina Matte
  • Lesedauer: 3 Min.

E s war im 18. Jahrhundert, als der Engländer Jonas Hanway den Regenschirm populär machte. Der Regenschirm ist ein nützliches Teil. Wenn es regnet, spannt man ihn auf und wird nicht nass.

Regenschirme sind auf dem Markt relativ gut positioniert – sie werden gebraucht. Das ist mehr, als man von manch anderen Produkten sagen kann, zum Beispiel von Autos. Anders als Autos benötigen Regenschirme kein Benzin, sie stoßen kein CO2 aus und können auch nicht durch einen öffentlichen Regenschirm auf Schienen ersetzt werden. Wobei der Schienen-Ersatzverkehr das Problem mit den Autos, die wir so nicht brauchen, auch nicht löst.

Leider ist der Regenschirm noch so wenig perfekt wie die Autos, die massenhaft Benzin verbrauchen und massenhaft CO2 emittieren. Die Schirmspeichen sind nicht windresistent, so dass die hochgeschätzte Windenergie eher kontraproduktiv ist. Dem Markt bekommt das erstaunlicherweise prächtig: Je mehr Schirme zu Bruch gehen, desto mehr neue müssen gekauft werden. Die Schirme von Rossmann & Co sind da vorbildlich.

Im Falle einer Rezession sind Regenschirme zu empfehlen. Der Staat spannt einen Regenschirm auf, damit Unternehmen nicht nass werden. Regen natürlich vorausgesetzt. Scheint die Sonne, sind Regenschirme überflüssig. Die Unternehmen schaffen es ganz allein, Gewinne ins Trockene zu bringen.

Doch was heißt hier, Unternehmen retten? Heute steckt »Opel«, die Marke mit dem Blitz im Emblem, in der Bredouille. Rechnen wir es einmal locker: 50 000 Arbeitsplätze, die Zulieferindustrie eingeschlossen, stehen in der deutschen Automobilindustrie womöglich auf der Kippe. Geht es dem Unternehmen gut, geht es den Aktionären gut. Geht es dem Unternehmen schlecht, bezahlen es die Mitarbeiter. Sie sind es, um die wir uns kümmern müssen – als soziales Gemeinwesen lassen wir sie nicht im Regen stehen. Auch wenn sie etwas herstellen müssen, das kaum noch jemand haben will. Da hilft nur der Regenschirm.

Dem Vernehmen nach wollte auch Herr Merckle unter den staatlichen Regenschirm. Adolf Merckle ist laut »Forbes« mit einem Privatvermögen von über zwölf Milliarden Euro der fünftreichste Mann in Deutschland. Aber er besitzt nicht nur über zwölf Milliarden Privatvermögen, er hält auch viele Beteiligungen, unter anderem an Ratiopharm, Kässbohrer Geländefahrzeug und Heidelberg Cement. Er hat ein bisschen Pech gehabt: Er hat sich mit VW-Aktien verspekuliert und über eine Milliarde Euro verloren. Diese Milliarde, so ist zu hören, betreffe nicht nur sein Privatvermögen. Wie das denn, kann das jemand erklären? Dummerweise, so verrät es das »Handelsblatt«, soll auch Heidelberg Cement mit mehr als zwölf Milliarden Euro in der Kreide stehen. Nach der bei VW verzockten Milliarde kam es zu drastischen Kurseinbrüchen, und auch die Banken wollen nun nichts mehr riskieren und keine neuen Kredite vergeben – bitter. Vor allem für die Mitarbeiter.

Merckle könnte Ratiopharm verkaufen – wenn sich denn ein Käufer fände. Was nicht sehr wahrscheinlich ist, weil der Arzneimittelmarkt als gut aufgeteilt gilt. Natürlich könnte Herr Merckle auch sein privates Vermögen einsetzen, das nunmehr allerdings ein paar Fragen aufwirft: Wie zieht man solch ein enormes Vermögen aus auf Pump finanzierten Betrieben?

Irgendwas ist faul im Staate. Aber wir sehen das nicht so eng: Wir haben Herrn Merckle für seine Verdienste mit dem Bundesverdienstkreuz Erster Klasse und dem Sächsischen Verdienstorden dekoriert, ihm sogar die Ehrendoktorwürde der Universitäten Ulm und Tübingen verliehen. Er und Sohn Ludwig, der die Geschäfte führt, gehören nun einmal zu unseren Besten. Ein Schirmchen dürfte da noch drin sein. Selbst, wenn wir dabei Nasse machen.

Obwohl Regenschirme, wie schon gesagt, eine windige Sache sind. Ganz besonders die staatlichen. Jeder weiß doch: Wir leben selbst auf Pump. Die Bundesrepublik Deutschland ist mit 1515 Milliarden Euro verschuldet. Kein Geld? Drucken wir halt welches. Für uns als Gemeinwesen kein Problem. Wir übernehmen die Schirmherrschaft über die Münze.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal