SPD: Viel Kabale und wenig Liebe

Profilierungsversuche führender Genossen laufen ins Leere: Umfragewerte auf Tiefstniveau

  • Gabriele Oertel
  • Lesedauer: 3 Min.
Die wöchentliche Forsa-Umfrage wurde auch gestern wieder zur ausgewiesenen Demotivationsveranstaltung für die SPD. Unverändert 23 Prozent fuhren die Sozialdemokraten ein – und haben damit wacker ihren Tiefpunkt verteidigt. Was auch immer die Parteiführung im letzten Monat seit der Inthronisation des neuen alten Vorsitzenden Franz Müntefering unternahm – es zahlte sich bislang nicht aus.

Erfolg sieht anders aus. Was hat das vierblättrige Kleeblatt an der Spitze der SPD nicht alles versucht, um seit dem als Neuanfang beschworenen Berliner Parteitag am 18. Oktober wieder glücklichere Zeiten zu erleben. SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier, ohnehin in der Gunst weit hinter Kanzlerin Angela Merkel, berief in sein Auswärtiges Amt einen Auto-Gipfel, um sich die Opel-Krise politisch wie medial nutzbar zu machen. Aber die Herrin des Kanzleramtes war nicht nur schneller, sondern auch geschickter – und bremste ihren Vize, Außenminister und Koalitionspartner aus, der ihr demnächst im Wahlkampf Paroli bieten will.

Fraktionschef Peter Struck wiederum versuchte die Profilierung auf einem ganz anderen Feld und will mit dem Verweis auf den Sachverstand in den Ministerien die sogenannten Fünf Weisen abschaffen. »Ich glaube denen kein Wort«, offenbarte Struck der »Super Illu« und ereiferte sich gleich noch über die »heiße Luft«, die in diesem Gremium produziert werde.

Peer Steinbrück wiederum, der als Finanzminister in Zeiten der ganz großen Krise sein Management-Talent fast jeden Tag unter Beweis stellen konnte, musste gestern einen herben Dämpfer einstecken. Der allgegenwärtige Sparkommissar wird nun doch um eine Erhöhung der Neuverschuldung nicht umhin kommen, schreibt die »Süddeutsche Zeitung«. Nicht genug, dass er erst zu Wochenanfang den Titel als bester Finanzminister Europas im Ranking der »Financial Times« an den finnischen Amtskollegen abgeben musste. Wenn heute der 2009er Etatentwurf abschließend beraten wird, dürfte sich die ursprünglich von Steinbrück ins Auge gefasste Nettokreditaufnahme fast verdoppelt haben.

Und welche Akzente setzt der neue alte Parteichef? Der arbeitete sich am Wochenende auf Sachsens SPD-Parteitag erneut an der LINKEN ab – und schloss ein weiteres Mal die Zusammenarbeit mit der vermeintlich außenpolitisch, ökonomisch wie sozial unzuverlässigen Konkurrenz aus. Freilich nicht ohne den sächsischen Genossen, die womöglich hin und wieder zu anderen Urteilen gelangen, eine Hoffnung zu lassen: »Die Kinder und Enkelkinder von SED-Genossen müssen die Chance haben, in der Demokratie anzukommen.«

Ob es dann allerdings noch eine schlagkräftige SPD gibt, steht in den Sternen. Mal abgesehen von anhaltend sinkenden Mitgliederzahlen zerlegt sich die einst stolze deutsche Sozialdemokratie gegenwärtig mitnichten nur in Hessen. Die Hamburger Ereignisse um den SPD-Linken Niels Annen, dem am Wochenende die Direktkandidatur für die Bundestagswahl auf wenig solidarische Art abgejagt wurde, zeigen, dass nicht allein der Streit über den Umgang mit der Partei DIE LINKE die SPD umtreibt. Es geht um das Linke innerhalb der SPD. Wie Andrea Ypsilanti wurde auch Annen von den eigenen Genossen zu Fall gebracht, weil er für die Bewahrung linker Ansätze in seiner Partei streitet. Dass die Parteilinke nun mit dem Sprecher des »Seeheimer Kreises«, Johannes Kahrs, ein Opfer auf der rechten Seite der Partei sehen will, hilft bei der immer noch ausstehenden generellen Richtungsentscheidung auch nicht weiter.

Viel Kabale und wenig Liebe sind nach wie vor an der sozialdemokratischen Tagesordnung. Und in all dem Gemetzel geht es auch inhaltlich drunter und drüber. Vor, zurück, zur Seite, ran – die SPD macht ihrem Ruf alle Ehre: Bei der Kfz-Steuerbefreiung ebenso wie beim Bundeswehreinsatz im Innern und beim BKA-Gesetz.

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