Auch Lettland möchte Hilfe vom IWF

Liste der Kandidaten für internationale Notkredite wird länger – auch in der EU

  • André Anwar, Stockholm
  • Lesedauer: 3 Min.
Nach Ungarn bewirbt sich auch Lettland um finanzielle Hilfe beim Internationalen Währungsfonds und der EU. Nach Jahren kreditfinanzierten Aufschwungs muss das Land nun die Rechnung bezahlen.

Mit Lettland beantragt schon das zweite EU-Mitgliedsland nach Ungarn eine finanzielle Nothilfe von der Europäischen Kommission und dem Internationalen Währungsfonds (IWF). Um für Kredite in Frage zu kommen, habe der lettische Finanzminister bereits die Staatsausgaben gekürzt, hieß es von der Regierung in Riga am Donnerstag. »Wir haben uns dazu entschieden, offizielle Gespräche mit der EU-Kommission und dem IWF in die Wege zu leiten, damit sie uns finanziell bei der Stabilisierung unserer Wirtschaft helfen«, sagte Ministerpräsident Ivars Godmanis. Die Höhe der benötigten Summe solle in den Gesprächen erörtert werden und hänge von der Einschätzung des IWF und der EU-Kommission ab.

In den vergangenen Wochen verschärfte sich die wirtschaftliche Lage des baltischen Landes dramatisch. Warnungen gab es vor allem auch von den stark engagierten schwedischen Banken. Der baltische Bankensektor leidet unter ähnlichen Problemen wie der isländische. Zudem ist die Wirtschaftskraft der bevölkerungsarmen Länder gering.

Die Anfang der neunziger Jahre von der Sowjetunion unabhängig gewordenen Staaten erlebten zunächst einen rasanten Wirtschaftsaufschwung mit zweistelligen Wachstums- und Inflationsraten bei stark negativen Handelsbilanzen. Finanziert wurde er vor allem mit Krediten. Seit diese als Folge der Finanzkrise ausbleiben, brechen Konjunktur, Immobilienpreise und die inländische Nachfrage zunehmend ein. Und viele westliche Firmen sind aufgrund der kräftig gestiegenen Löhne in die Ukraine weitergezogen.

Die lettische Regierung versuchte noch vor Kurzem, die Probleme herunterzuspielen. »Wir werden niemals eine Bank staatlich retten. Dafür haben wir kein Geld«, sagte Ministerpräsident Godmanis noch im Frühherbst. Einen knappen Monat später musste er die zweitgrößte Bank des Landes, Parex, zwangsverstaatlichen. Für Lettland wurde es fast unmöglich, im Ausland Kredite zu bekommen. Unter diesen Prämissen gilt es auch als unsicher, inwieweit die Regierung ihr Versprechen halten wird, die an den Euro gekoppelte nationale Währung nicht abzuwerten.

Experten warnen vor weiteren Zusammenbrüchen in der EU, etwa der beiden baltischen Nachbarn sowie Bulgariens und Rumäniens. Die Liste der Bittsteller beim IWF wird jedenfalls immer länger. Der Währungsfonds hat bereits 20 Milliarden Euro für Ungarn bereitgestellt, Island einen Kredit von 1,7 Milliarden Euro bewilligt und Hilfsprogramme für Serbien im Wert von 413 Millionen Euro und für Pakistan im Wert von 6 Milliarden Euro initiiert. Auch der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan gab am Donnerstag bekannt, dass er auf eine Hilfe vom IWF bis zur kommenden Woche hofft. Sie müsste laut Schätzungen zwischen 16 und 32 Milliarden Euro liegen.

Der IWF hat bereits gewarnt, dass die Reserven des Fonds von 160 Milliarden Euro und ein weiterer »Notgroschen« von 40 Milliarden Euro bald verbraucht seien. Beim G20-Treffen in der vergangenen Woche in Washington lehnten die Teilnehmerstaaten aber eine Erhöhung der IWF-Mittel ab.

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