Erschüttertes Vertrauen

Gewerkschaftstag soll Transnet aus der Krise helfen

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 2 Min.
Wenn am Sonntag die Delegierten und Gäste den 18. Gewerkschaftstag von Transnet in Berlin mit viel Prominenz feierlich eröffnen, steht ihnen der wohl spannendste Kongress in der Geschichte der Organisation bevor.

Die Teilnehmer des Gewerkschaftstags von Transnet haben ein Mammutprogramm von Rechenschaftsberichten über Vorstandswahlen und Grundsatzdebatten bis hin zu Antragsberatung vor sich. So gilt es, ein dickes Paket mit knapp 500 Anträgen von Untergliederungen zu allen möglichen gewerkschafts- und sozialpolitischen wie auch berufsspezifischen und organisatorischen Fragen abzuarbeiten.

Doch dieser Kongress ist kein gewöhnlicher Gewerkschaftstag. Das jahrelange Tauziehen um die Bahnprivatisierung und die Nähe des bisherigen Vorstands zum Management der Deutschen Bahn AG (DB) haben Spuren und Verwerfungen hinterlassen, was sich auch in einem starken Rückgang der Mitgliederzahl niedergeschlagen hat. Die aktuelle Krise der Organisation, die bis zum Jahr 2000 den traditionsreichen Namen »Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands« getragen hatte, macht sich vordergründig an Personalien fest. Innerhalb eines halben Jahres hat Transnet zwei Vorsitzende verloren. Im Mai war Norbert Hansen nach fast zehn Jahren an der Spitze der Gewerkschaft in den Bahn-Vorstand gewechselt. Mitte dieser Woche gab der vom Transnet-Beirat als »Interimsvorsitzende« aufgestellte und wieder nominierte Vorsitzende Lothar Krauß überraschend seinen Verzicht auf eine weitere Kandidatur bekannt. »Transnet befindet sich in einer Ihrer schwierigsten Zeiten«, bringt es sein Abschiedsbrief an Mitglieder und Funktionäre auf den Punkt. Hansens Wechsel habe »bei vielen Mitgliedern Wut und Ärger ausgelöst und Ihr Vertrauen in die Führung der Transnet erschüttert«. Ob Krauß am Montag persönlich den Rechenschaftsbericht des geschäftsführenden Vorstandes vortragen und dabei auf eine politische Abrechnung verzichten wird, muss sich zeigen.

Der als Nachfolger von Krauß nominierte Alexander Kirchner, der bisher für Tarifpolitik zuständig war und mehr Rückhalt an der Basis besitzen dürfte, hat nur wenige Tage Zeit, um in seine neue Rolle hineinzuwachsen. Er soll den verunsicherten Delegierten Hoffnung und Visionen vermitteln. Nicht wenige erhoffen sich von ihm einen offeneren und kollegialeren Führungsstil. Ob daraus ein wirklicher Neuanfang wird, wird sich zeigen.

Erstmals für den Vorstand nominiert ist der SPD-Bundestagsabgeordnete Martin Burkert, der bis zur Bundestagswahl 2005 in Nürnberg als Transnet-Gewerkschaftssekretär gearbeitet hatte. Burkert hatte sich bis zuletzt für die Bahnprivatisierung stark gemacht und als Abgeordneter im Mai 2008 für einen Börsengang der Transportsparte DB Mobility Logistics AG gestimmt. Kurz zuvor hatte er sich beim Bundeskongress der SPD-Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen (AfA) als einziger Debattenredner für die Teilprivatisierung ausgesprochen und dabei behauptet, Transnet habe dies so verlangt. »Transnet hat die Privatisierung nie gefordert«, erklärte hingegen Gewerkschaftssprecher Michael Klein seinerzeit im »Hamburger Abendblatt«.

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