Roter Radler bekommt wieder Geld

Linke siegt vor Verfassungsgericht / Sachsens Landtag muss Klausel gegen Rechts ändern

  • Hendrik Lasch, Dresden
  • Lesedauer: 3 Min.
Sachsens Landtag muss ein Gesetz ändern, mit dem rechte Straftäter aus dem Parlament ferngehalten werden sollten. Die Klausel sei zu pauschal, befand das Verfassungsgericht nach Klage einer Linkspolitikerin, deren Mitarbeiter kein Geld mehr bekam.
In einen lang anhaltenden Konflikt geradelt.
In einen lang anhaltenden Konflikt geradelt.

Acht Monate hat Sachsens Landtag Jens-Eberhard Jahn kein Geld gezahlt; jetzt hat das Darben für den dreifachen Vater ein Ende. Das Leipziger Verfassungsgericht entschied gestern, dass dem als »renitentem roten Radler« bekannt gewordenen Mitarbeiter der linken Landtagsabgeordneten Elke Altmann die Bezüge zu Unrecht gestrichen worden seien. Zugleich verdonnerten die Richter das Parlament dazu, einen Passus im Abgeordnetengesetz zu ändern.

Die Passage war im November 2007 mit dem Bestreben eingefügt worden, rechte Straftäter aus dem Parlament fernzuhalten. In Anlehnung an eine Klausel, die zuvor in Mecklenburg-Vorpommern ins Gesetz geschrieben worden war, verlangte man von Abgeordneten die Vorlage von Führungszeugnissen für ihre Mitarbeiter. Ist dort ein »Vorsatzdelikt« vermerkt, werden die monatlichen Zuwendungen für deren Bezahlung gestrichen.

Erstes Opfer der Gesetzesänderung wurde indes ein Linker. Jahn hatte einen Eintrag im Führungszeugnis, weil er im Sommer 2006 nach Genuss einiger Gläser Bier mit dem Fahrrad vom Lokal zur 600 Meter entfernten Bettstatt gefahren und dabei von der Polizei angehalten worden war. Der Radler, der zu jener Zeit 1,2 Promille hatte, verweigerte sich einem Bluttest und verwickelte sich statt dessen in eine verbale Rangelei. Ein Gericht verurteilte den Politiker, der auch im Kreistag sitzt, wegen des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte zu 60 Tagessätzen.

Dass ihm der Landtag daraufhin den Geldhahn zudrehte, war freilich nicht angemessen, entschied jetzt das Gericht. In seiner Pauschalität sei der zugrunde liegende Gesetzespassus ein unzulässiger Eingriff in die Rechte der Abgeordneten. Zwar sei das mit der Gesetzesänderung verfolgte Ziel, den Parlamentsbetrieb und die Vertrauenswürdigkeit des Landtages zu sichern, legitim; auch könne dazu die Vorlage eines Führungszeugnisses verlangt werden. Aber bei jeder vorsätzlich begangenen Straftat die Zahlung einzustellen, sei »sachlich nicht geboten« und »weder erforderlich noch angemessen«. Statt dessen verlangt das Gericht laut dem gestern veröffentlichten Urteil eine »einzelfallbezogene Würdigung des Gefährdungspotenzials« und eine Abwägung mit der Freiheit der Mandatsausübung.

Die Richter gaben damit Kritikern Recht, die schon länger auf teils groteske Auswirkungen der Gesetzesänderung verwiesen hatten. So hätte Jahn das Geld weiter überwiesen werden müssen, wenn er die Polizisten nicht beleidigt, sondern beispielsweise unter Alkoholeinfluss mit dem Auto überfahren hätte – es hätte sich dabei schließlich nicht um ein Vorsatzdelikt gehandelt. Umgekehrt konnte das Gesetz nicht verhindern, dass die NPD den 1988 wegen mehrerer Sprengstoffdelikte verurteilten Rechtsextremen Peter Naumann als Mitarbeiter beschäftigte. Seine Parlamentskarriere beendete erst ein Streit, bei dem er vorige Woche den Abgeordneten Jürgen Gansel per Faustschlag niederstreckte.

Nach dem gestrigen Urteil verlangte Klaus Bartl, Fraktionskollege Altmanns und Rechtsanwalt, eine Änderung des Gesetzes. Festgelegt werden müssten Kriterien, bei welchen Straftaten ein Mitarbeit für den Landtag untragbar ist und wer über die Eignung befinde. Dass Altmann, die das Gehalt für ihren Mitarbeiter vorgestreckt hatte, ihre Auslagen zu erstatten seien, verstehe sich laut Bartl »von selbst«. Altmann konnte sich gestern nicht äußern: Sie befindet sich nach einem schweren Verkehrsunfall in der Rehabilitation.

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