Lesestunde

  • Bernd Kammer
  • Lesedauer: 2 Min.

Alles ist relativ. Das musste auch Ellen Haußdörfer, jüngste Abgeordnete der SPD-Fraktion, am Donnerstag erfahren. Da war bundesweiter Vorlesetag. Prominente aus Politik und Kultur schwärmten aus, um in Schulen, Kitas, Bibliotheken etwas vorzutragen. Haußdörfer las in einer dritten Klasse der Heidegrundschule Adlershof aus dem Buch »Fürchtevogel«. Natürlich nicht, ohne sich zuvor vorgestellt zu haben. Wie alt sie denn sei, wollte ein Schüler wissen. »28«. Was, so alt schon, staunte der Knirps, um dann noch ein Kompliment hinterherzuschieben, das er vielleicht von seinem Vater schon mal gehört hatte: »Da haben sie sich aber gut gehalten.« Hinterher gab's Blumen für die Abgeordnete, was sie auch mit ihrem biblischen Alter wieder versöhnte.

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Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) braucht keinen Vorlesetag, um die Menschen zu erfreuen. Ihm ist das tägliche Berufung, zumindest, wenn Mikro und Kamera in der Nähe sind. Vergangenen Dienstag war es mal wieder so weit, Sarrazin widmete sich einem seiner Lieblingsthemen: Hartz IV. Wenn man den Betroffenen etwas mehr Staatsknete zukommen ließe, sei das kein Konjunkturprogramm. Denn das Geld werde ja doch nur für Flachbildschirme, Videorekorder und MP3-Player ausgegeben. »Es geht also alles nach Fernost, es geht alles nach Südchina. Und nichts bleibt hier.«

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Höchste Zeit, dass Sarrazin für seine Verdienste geehrt wird, wenn auch – für Berlin etwas peinlich – an seiner einstigen Wirkungsstätte Rheinland-Pfalz. Die Mainzer Ranzengarde zeichnet ihn mit dem Modell ihres Ranzengardebrunnens aus. Damit die Freunde Sarrazinscher Sprüche nicht auf falsche Gedanken kommen: Die Ranzengarde ist allerdings keine Garde übel riechender Beamter, sondern eine tipptopp geschniegelte und gebügelte Karnevalstruppe.

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Krach in der Linkspartei: Im Karl-Liebknecht-Haus werden Wände herausgerissen, weil rechtzeitig vor dem Bundestagswahlkampf das Wahlbüro in der dritten Etage vergrößert wird. Und das liegt genau über der Berliner Landesgeschäftsstelle, auf deren Etage zudem noch die Türen abgeschliffen werden. »Wir arbeiten tapfer weiter«, so Pressesprecher Thomas Barthel, »und werden sicher mit einem tollen Wahlergebnis entschädigt«.

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