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Stabilisator auf alten Bahnen

Der strategisch souveräne Staat ist ein Binsenirrtum. Er kann nicht, was er verspricht

  • Wolf-Dieter Narr, Peter Grottian und Benedict Ugarte Chacón
  • Lesedauer: 4 Min.

Heute keucht »der Staat« überall. Er, »der Staat« nämlich, schafft »Vertrauen«. Er schlägt die Geldflucht in Bann. Damit die Banken wieder banken. Damit die Bürger ihr Geld nicht vergraben, sondern anlegen.

Im Notstand sind wir regierungseinig. Und diese Regierung, in ihrer finanzministeriellen Spitzenbürokratie zuerst, hat ihre erste Aufgabe ergriffen: Ins ungleiche Kartell der Angst, aller Geld zu verlieren, und die Klassen-Existenzen, die darin stecken, ist nun Geldluft zu pumpen. Schlanke 500 Milliarden fürs erste. Die Währung heißt Geldvertrauen als neues Staatsvertrauen.

Wenn der »Bund den Brandmeister« spielt, sind Fragen zu stellen. Zum ersten: Welche Qualität besitzen die staatlichen Löschkanonen? Zum zweiten: Kann die Regierungsbürokratie überhaupt den Brand mit globaler Flächenbrandgefahr löschen? Wie lassen sich die Löschaktionen qualifizieren?

Der durchblickende, strategisch souveräne Staat: ein Binsenirrtum! Die riesigen, aller Regulierungen entbehrenden Kapital- und Finanzmärkte, haben sich von der »realen Wirtschaft« gelöst. Keine Institution, am wenigsten die interessenbornierten Finanzanalysten oder die Regierungen haben einen Durchblick. Wenn Gefahr droht, können sie bestenfalls Gummilöwen gleich brüllen. Deshalb werden Schaupakete geschnürt, ohne zu wissen, ob und wie sie wirken. Instanzen wie der Bundestag werden ausgeschlossen. Alles bleibt geheim: Wer, was, warum und wie erhält, entscheidet das Finanzministerium. Die Öffentlichkeit soll nicht erfahren, welche Bank miserabel gewirtschaftet hat. Welche Manager versagt haben. Die Bürger werden ohne Information unmündig gehalten.

Das Rettungs-»Gesetz« zeichnet sich dadurch aus, dass es ein einseitig adressiertes Ermächtigungsgesetz darstellt. Adressiert werden Banken und andere Finanzkapitale. Ihnen dienen alle »Kann«-Unbe- stimmtheiten der Löschkanone. Der Ermächtigungscharakter des Pseudogesetzes kommt darin zum Ausdruck, dass die Regierung bzw. ihr Finanzressort alles können. Er zeigt sich vor allem darin, dass den Adressaten fast nichts abgenötigt wird. Das wird schon daran erkenntlich, dass die staatlichen Verwalter die Anträge qua Kompetenz, Transparenz und mangelndem Personal nicht kontrollieren können. Alles spricht dafür, dass die Anträge durchgewunken werden. Die Notwendigkeit der Hilfe wird nicht kontrolliert. Hinzu kommt das mit Vertretern der Interessengruppen gemischten Personal. Das ist in seiner Grundeinstellung marktradikal gescheuklappt.

Auch die Managergehälter bei einem Jahresgehalt von 500 000 Euro deckeln zu wollen, ist ein Witz. Die Banken wehren sich nicht. Sie wissen, wie solche Vorschriften elegant umwedelt werden können Der Staat schafft Vertrauen, indem er den Banken vertraut. Wer Hunderte von Milliarden in das Finanzsystem investiert, wird alles tun, um den Niedriglohnsektor abzusenken. Folgerichtig werden die schon erfolgten Kürzungen für ca. acht Millionen Hartz-IV-Empfänger, Rentner, Ältere, Jugendliche und Kinder erhalten werden.

Das Gesetz belegt, dass und wie sich der »starke« Staat den Finanzinstitutionen angebiedert hat. Es lässt sich zeigen, dass staatliche Instanzen in ihrer Struktur und deren Möglichkeiten nicht dazu in der Lage sind, das finanzkapitalistische Regime zu kontrollieren. Nahezu das gesamte Reden über neue Kontrollen und über die dadurch erfolgende Stabilisierung der Finanzmärkte entbehrt jeder zureichenden Basis in wirtschaftspolitischer Kompetenz. Nicht von ungefähr kommt es, dass die staatlichen Institutionen dem Tsunami des finanzkapitalistischen Kladderadatschs hilflos erlegen sind. Grotesk ist es darum, dass angeblich linke Leute und Gruppen ein neues Staatserwachen herbeisehnen.

Schon heute lässt sich konstatieren, dass sich die Retter an die Ursachen der heutigen Krise nicht herantrauen. Ein kleines Beispiel: die staatliche Bankenaufsicht, die in den vergangenen Jahren permanent versagte. Bankgesellschaft Berlin, Sachsen LB, IKB – bei den sich über Jahre entwickelnden Krisen hielt die Bankenaufsicht Maulaffen feil. Dieser Tage soll – wieder einmal mit staatlicher Subvention, wieder einmal als Stabilisierung ausgegeben – die Bayerische Landesbank aus ihrem spekulativ-korrupten Loch gezogen werden.

Die Richtlinien des Rettungspakets sind darauf angelegt, die Finanzmärkte zu beruhigen, die Zocker zu verzuckern, sonst aber nur marginal zu verändern. Die zuweilen radikal geschminkten Vorschläge gehen angesichts des herrschenden Kapitalismus und des daneben marginalen Staats über symbolisch einlullende Politik nicht hinaus – Finanzproduktkontrolle bis zu Verboten, Vergesellschaftung der Banken, Finanzmarkttransfersteuern und Schließung der Steueroasen. Eher wahrscheinlich ist, dass eine nur oberflächliche Beruhigung alle staatlichen Muskelprotzereien als Wort-Doping enttarnt. Angesichts dieser staatlich-kapitalistischen Einfallslosigkeit, da die eigenen Macht- und Ungleichheitsinteressen andere Wege blockieren, müsste die Stunde außerparlamentarischer Kritik und Vorschläge schlagen.

Auf den nächsten G20-Gipfel im April ist nicht zu hoffen. Das Finanzmarktsystem wird sich nur neu maskieren, aber seine Logik weitestgehend beibehalten können. Der Staat ist der Stabilisator auf alten Bahnen. Eine Chance außerparlamentarischer Bewegungen bestünde nur dann, wenn die Folgen der Finanzmarkt- und Haushaltskrise die von den sozialen Einschnitten Betroffenen zu breiten Protesten des zivilen Ungehorsams herausfordern.

Der Politikwissenschaftler Wolf-Dieter Narr ist Mitgründer des Komitees für Grundrechte und Demokratie.
Der Sozialwissenschaftler Peter Grottian und der Politologe Benedict Ugarte Chacón sind Sprecher der Initiative Berliner Bankenskandal.

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