nd-aktuell.de / 06.12.2008 / Politik / Seite 8

Obama und die Geheimdienste

Es naht die Zeit, das Versprechen auf »Wandel« einzulösen

Reiner Oschmann
Auf Barack Obama warten vor und bei seiner Amtseinführung als USA-Präsident am 20. Januar viele Stunden der Wahrheit. Eine der wichtigeren schlägt für den künftigen Umgang mit den USA-Geheimdiensten.

16 Geheimdienste gibt es in den USA, ihr Haushalt umfasst derzeit knapp 48 Milliarden Dollar im Jahr, und die CIA ist weltweit das wohl bekannteste Mitglied dieser Geheim-Gemeinde. Im Wahlkampf erhielt Barack Obama oft besonders viel Beifall, wenn er Geheimdienstpraktiken der Bush-Regierung im Kampf gegen den Terrorismus kritisierte – das völkerrechtswidrige Gefangenenlager Guantanamo, die Verschleppung von Verdächtigen in CIA-Gefängnisse außerhalb der USA und den Folter-Tatbestand erfüllende Verhörmethoden wie das »Waterboarding«, bei der Häftlinge eine Todesahnung durch Ertrinken erfahren.

Obama bezeichnete diese Lage 2007 als »praktisches wie moralisches Problem. Wir können keinen Krieg gewinnen, wenn wir nicht den Anstand bewahren und die Menschen nicht für uns einnehmen«, erklärte er. »Doch da sich die Regierung Bush zu unmoralischem Verhalten entschlossen hat, haben unsere Truppen mehr Feinde.« Die Wiederherstellung »Amerikanischer Werte« war das wiederkehrende Motiv in Obamas Wahlkampfforderungen.

Nun naht die Zeit, Versprechen einzulösen, und der Mann blinzelt. Nicht dass er bei den Geheimdiensten alles lassen will wie unter Bush. Nur sieht sich der »Change« plötzlich Schwierigkeiten gegenüber: Unmittelbar nach seiner Wahl hieß es, Obama werde sowohl den von Bush eingesetzten Koordinator aller Geheimdienste, Mike McConnell, als auch CIA-Direktor Michael Hayden entlassen. Den Demokraten habe missfallen, dass sie öffentlich die berüchtigten Verhör- und Ermittlungsmethoden unterstützten. Zwar werden beide wohl tatsächlich ihren Hut nehmen müssen, doch ob sich Obama von bisherigen Folterpraktiken verabschiedet, erscheint so sicher nicht mehr.

Vor wenigen Tagen erklärte CIA-Veteran John O. Brennan, der als Anwärter auf den Direktorenposten gegolten hatte, dass er nicht länger zur Verfügung stehe. Der Rückzug erfolgte, nachdem liberale Kritiker bei Obama Protest gegen eine Ernennung Brennans erhoben hatten. Zu ihnen gehört ein Bündnis von 200 Psychiatern, die an den neuen Präsidenten schrieben, Brennan habe sich zwar öffentlich vom »Waterboarding« distanziert, tatsächlich aber an der Entwicklung der Folterpraxis mitgewirkt. Seine Ernennung zum CIA-Direktor würde »all jene befremden, die sich gegen die Folterungen in der Zeit der Bush-Regierung aussprachen«.

Die Suche nach einer personellen Alternative und Obamas künftiges Verhältnis zur CIA, schrieb die »New York Times«, »werden durch die Spannung erschwert, die aus seinem Wunsch resultiert, einerseits Schluss zu machen mit jenen Geheimdienstpraktiken der Bush-Regierung, die er verurteilte, und der Besorgnis, sich einen Geheimdienst zu entfremden, der im Kampf gegen Al Qaida eine zentrale Rolle spielt.« Die »Washington Post« erinnerte daran, dass Obama in Sachen Geheimdienste als Greenhorn ins Weiße Haus kommt. Sie schließt deshalb nicht aus, dass der neue Präsident »einen Teil oder gar die gesamte jetzige Führungsspitze auf ihren Posten belassen könnte«. Berater aus seiner Umgebung hatten schon im Wahlkampf erklärt, auch Obama erwäge, der CIA weiter zu erlauben, Terrorismusverdächtige in Gefängnissen außerhalb der USA festzuhalten. Allerdings werde er, wie die »New York Times« dazu anmerkte, »darauf bestehen, dass Inspektoren vom Internationalen Komitee des Roten Kreuzes gestattet wird, sie aufzusuchen«. Schluss machen werde Obama hingegen mit der unter Bush geübten »Praxis der ›Überstellung‹ von Terrorismusverdächtigen an Länder, die Folter anwenden«.