nd-aktuell.de / 08.12.2008 / Brandenburg / Seite 17

Bewahrer und Heiler des Augenlichts

Das Denkmal für Albrecht von Graefe an der Luisenstraße / Ecke Schumannstraße in Mitte

Hans-Joachim Beeskow

Die Serie »Berlinische Miniaturen« möchte auf Kleinode in der Stadt aufmerksam machen, an denen man meist vorbeigeht, die aber bedeutende Zeugnisse der Geschichte Berlins sind. Dr. Hans-Joachim Beeskow und Dr. Friedrich Kleinhempel werden diese nicht selten unterschätzten Orte in Wort und Bild vorstellen.

An der Luisenstraße/Ecke Schumannstraße in Mitte steht ein Denkmal für Albrecht von Graefe, den bedeutendsten Augenarzt des 19. Jahrhunderts, der die neuere bzw. moderne Augenheilkunde in Deutschland begründete. Dieses Denkmal befindet sich in unmittelbarer Nähe des Haupteinganges der Charité, an der Albrecht von Graefe in hervorragender Weise wirkte. Die Einweihung der Denkmalanlage, die als Schauwand in Renaissanceformen gestaltet ist, erfolgte im Jahre 1882.

Die Schöpfer waren die Künstler Martin Philipp Gropius und Heino Schmieden, die Bronzestatue, die in der übergiebelten mittleren Rundbogennische steht, wurde im Jahre 1881 von Rudolf Leopold Siemering geschaffen. Den Guß realisierte die Berliner Hofgießerei Hermann Gladenbeck & Sohn. Die Statue zeigt Adolf von Graefe als Lehrer, der vor einem antikisierten Prunksessel steht. In der rechten Hand hält er einen Augenspiegel, den der Arzt und Naturforscher Hermann Ludwig Ferdinand von Helmholtz im Jahre 1850 erfun-den, und den von Graefe als erster in die augenärztliche Praxis eingeführt hat.

Die Relieffelder auf der linken und rechten Seite des Denkmals wurden 1880 ebenfalls vom Bildhauer Rudolf Leopold Siemering aus Terrakotta gefertigt. Die farbliche Fassung der Felder stammt von Ernst Bastanier. Das linke Feld zeigt an den Augen erkrankte und das rechte geheilte Menschen. Unterhalb der Felder sind Worte aus Friedrich Schillers »Wilhelm Tell« zu lesen. So heißt es auf dem linken Feld: »O eine edle Himmelsgabe ist das Licht des Auges – alle Wesen leben vom Lichte«. Auf dem rechten steht: »Jedes glückliche Geschöpf – die Pflanze selbst kehrt freudig sich zum Lichte«. Mit diesem Denkmal hat von Graefe eine bleibende und eindrucksvolle Erinnerungsstätte in Berlin erhalten. Außerdem trägt seit 1875 eine Straße in Kreuzberg seinen Namen. Sein Grab, ein Ehrengrab der Stadt, befindet sich auf dem Friedhof II der Jerusalems- und Neuen Kirche in Kreuzberg. Hier ist auch sein Vater Carl Ferdinand von Graefe bestattet, der Professor für Chirurgie an der Berliner Universität war.

Am 22. Mai 1828 wurde von Graefe in der von Schinkel 1824 erbauten und im 2. Weltkrieg zerstörten Villa Finkenherd im Tiergarten geboren und studierte Medizin, Mathematik, Physik und Chemie in Berlin. Nach Abschluss seiner Studien wurde er Assistenzarzt in Prag, wo er begann, sich mit der Augenheilkunde zu beschäftigen. Weitere berufliche Stationen führten ihn nach Paris, Wien und London. Im Jahre 1851 kehrte er nach Berlin zurück und gründete eine private Augenklinik mit 120 Betten, die bald Weltruhm erlangte, in der Karlstraße 46, der heutigen Reinhardtstraße.

Am 7. Juni 1862 heiratete von Graefe in der Sacrower Heilandskirche (bei Potsdam) Anna Gräfin Knuth. Vier Jahre nach der Hochzeit wurde von Graefe Direktor der Augenärztlichen Abteilung der Charité. Hier behandelte er erfolgreich den Grünen Star und das Schielen. Von Graefe war der erste, der eine Glaukom-Operation durchführte – angeblich hat er über 10 000 Augenoperationen vorgenommen. All das begründete seine weltweite Anerkennung als Augenarzt. Medizinische Termini technici. wie zum Beispiel »Graefe-Syndrom«, bewahren auch heute ehrenvoll sein Andenken in der Augenheilkunde. Es gehörte auch zum Ethos des Lebens und Werkes von Albrecht von Graefe, dass er Menschen aus allen sozialen Schichten seine ärztliche Hilfe zuteil werden ließ. So wurde er zurecht und auch deshalb in einem Nachruf als ein »Apostel der leidenden Menschheit« bezeichnet, aus dessen Schule (Graefe war ab 1857 auch Ordentlicher Professor der Augenheilkunde an der Berliner Universität) fast alle späteren Ordinarii der Augenheilkunde hervorgegangen sind. Im Alter von 42 Jahren verstarb von Graefe am 20. Juli 1870 an Lungentuberkulose in Berlin.