Aschenbrödel durchs Hintertürchen

Wie Spielautor Haferkamp den Märchenschatz retten will

  • Lesedauer: 4 Min.
Er sorgt sich um die Märchenkultur der Nation: der Osnabrücker Rechtsanwalt KAI HAFERKAMP (41). Mit seinem Spiel »Rettet den Märchenschatz!« versucht er gegenzusteuern. ND-Autor ART KOHR fragt nach.
Autor Kai Haferkamp mit seinem Spiel
Autor Kai Haferkamp mit seinem Spiel

ND: Ist die Märchenkultur in Gefahr?
HAFERKAMP: Die Aufforderung »Rettet den Märchenschatz!« ist sehr ernst und über das Spiel hinaus gemeint: Unsere Märchen, die einen einzigartigen Kulturschatz bilden, sind in ernster Gefahr, verdrängt zu werden. Diesen Schatz gilt es, für uns und unsere Kinder zu bewahren.

Aktuell boomen Fantasygeschichten. Beobachten wir bloß eine Umschichtung: weg von den Märchen und hin zu Fantasy?
Die Märchen sprechen Ur-Sehnsüchte, -wünsche und -ängste des Menschen an, die immer gültig sein werden. Dabei spiegeln Märchen keineswegs eine immer heile Welt wieder, ganz im Gegenteil. Gewalt, in welcher Form auch immer, ist leider immer ein Bestandteil einer jeden Welt. Das ist in der Welt der Märchen nicht anders. Aber die Konflikt- und Gewaltsituationen – und darin unterscheiden sich die klassischen Märchen von Fantasy – bleiben für die Kinder nicht am Ende als etwas Bedrohliches stehen, sondern werden kindgerecht aufgelöst. Das Gute obsiegt, das Böse erhält seine Strafe. Entsprechend hat Fantasy für mich nicht wirklich viel mit Märchen zu tun.

Werden heute zu wenige Märchen gelesen?
Definitiv werden zu wenige Märchen vorgelesen. Wenn ich hier bewusst vom »vorlesen« rede, dann möchte ich damit vor allem Eltern und Großeltern ansprechen, die ihren Kindern viel mehr vorlesen sollten. Denn damit wird bei Kindern das Interesse für Märchen und Bücher, für gute Kinderliteratur überhaupt, in einem frühen Stadium geweckt, so dass sie später mit großer Wahrscheinlichkeit auch selbst lesen werden.

Aber brauchen wir die klassischen Märchen wirklich noch?
Sie wollen mich provozieren? Das kommt mir so vor, als wenn Sie einen Musikliebhaber fragen, ob man denn die klassische Musik noch braucht! Wo man heute doch so viele Lieder im Popbereich hat, immer neue »Superstars« und »Mega-Hits«, die dann zumeist aber eben so schnell wieder verschwunden sind wie sie gekommen sind. Wenn ich mich in meine Kindheit zurückversetze, dann war es das Lesen von Märchen, das mir viele glückliche Stunden beschert hat. Und erstaunlicherweise funktionieren die alten Märchen auch heute noch. Beobachten Sie einmal Kinder, denen man ein Märchen vorliest oder die einen Märchenfilm wie die wundervollen »Drei Haselnüsse für Aschenbrödel« anschauen. Die Märchen werden die Kinder auch in 100 Jahren gleichermaßen faszinieren.

Sie wollen mit Ihrem Spiel also nichts weniger als die heimische Märchenkultur retten?
Natürlich! Mit dem Spiel möchte ich den Anstoß geben, dass Kinder, Eltern und Großeltern wieder gemeinsam eintauchen in die Welt der Märchen.

Aber wie soll das mit Ihrem Spiel funktionieren? Wenn die Märchen, um die sich alles dreht, gar nicht mehr bekannt sind?
Für das Spiel reicht es zunächst aus, die dazu gehörigen Märchenbilder zu identifizieren und vielleicht auch noch dem entsprechenden Titel zuzuordnen. Eine nähere Kenntnis des Inhalts wäre zwar schön, ist aber nicht zwingend erforderlich. Erst wenn es dann dazu kommt, dass sich ein Kind ein Märchen wünschen darf, das vorgelesen werden soll, kommen die Märchen ins Spiel. Die Kinder können sich dann die jeweiligen Märchen ausdrucken, die lassen sich ja aus dem Internet herunterladen. So binden die Kinder ihr eigenes Märchenbuch. Letztlich erhält mit dem Spiel jede Familie ein Märchenbuch, aus dem vorgelesen werden kann. Mein Ziel ist, auch Familien, die bislang noch kein Märchenbuch besessen haben, auf diese Weise – quasi durchs Hintertürchen – ein Märchenbuch zu geben. Und eines verspreche ich dabei jedem, der sich gemeinsam mit Kindern oder Mitspielern in die Märchenwelt begibt: Am Ende stehen wunderschöne märchenhafte Momente, an die man sich noch lange zurückerinnern wird.

»Rettet den Märchenschatz!«, Selecta, 2 bis 4 Spieler ab 5 Jahren; Preis ca. 30 Euro; die Märchen zum Spiel herunterladen von: www.selecta-spielzeug.de/maerchen/ger-DE/index.html

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