Der uns zum Lachen bringt

Zur Seele: Erkundung mit Schmidbauer

  • Lesedauer: 4 Min.
Dr. Wolfgang Schmidbauer arbeitet als Psychoanalytiker und Autor in München
Dr. Wolfgang Schmidbauer arbeitet als Psychoanalytiker und Autor in München

Wie das so ist mit der Erinnerung: Namen fallen aus dem Gedächtnis, Szenen bleiben haften. Meine Szene stammt aus einem Hollywood-Streifen. Ein Mann kommt in seine Heimatstadt zurück und begegnet seiner Jugendliebe, die im Diner an der Strasse bedient. Sie hat, gesteht sie, ihr Leben verpfuscht, ist nie weggekommen. »Du weißt doch, wie das so ist mit uns Mädchen auf dem Land. Wir heiraten den ersten Jungen, der uns zum Lachen bringt. Der Mann, den ich abgekriegt habe, war ein Trinker. Also stehe ich hier!«

In diesem Fall ist die Sache schlecht ausgegangen. Aber der Gedanke, den Partner zu heiraten, der einen zum Lachen bringt, hat etwas Bezauberndes. Je mehr Paare ich in guten und schlechten Zeiten kennengelernt habe, desto mehr hat sich meine Auffassung über den Wert des Lachens im Leben und in der Therapie gedreht. Anfangs sah ich Humor eher als Verlegenheitslösung, als krummes Hilfsmittel, das der Therapeut einsetzt, wenn ihm nichts Besseres einfällt. Ernsthafte professionelle Arbeit ist kein Spaß. Es geht um tiefe Deutungen, hohe Werte und ernsthafteste Entwicklungen von besseren Strategien der partnerschaftlichen Kommunikation. Nur ist das Ganze schwer auszuhalten, wenn gar kein Spaß dabei ist. Die Liebe ist voller Missverständnisse. Es liegt an den Liebenden, ob sie diese tragisch nehmen oder ihnen eine komische Seite abgewinnen. Gerade die gescheitesten Menschen, denen im Beruf alles gelingt, weil sie ehrgeizig sind und ängstlich nach Perfektionismus streben, verlieren oft jeden Humor, wenn die Partnerin oder der Partner ihre Erwartungen, ihre eigenen Lebensideale durchkreuzt.

Ich erinnere mich an ein solches Paar, beide Fachärzte, beruflich erfolgreich, eine zehnjährige Tochter. Die Erotik der beiden hatte unter dem beruflichen Ehrgeiz gelitten; sie pendelte während der Facharztausbildung in das Krankenhaus einer anderen Stadt und begann dort ein heimliches Verhältnis mit einem Kollegen. Jetzt war die Ausbildung beendet, sie baute eine eigene Praxis auf und wollte ein zweites Kind. Um reinen Tisch zu machen, unbewusst vielleicht auch, um ihm zu zeigen, dass sie eine begehrenswerte Frau war und ihn nach wie vor mehr begehrte als andere Männer, gestand sie ihm den Seitensprung.

Solche Geständnisse haben oft unerwartete Folgen. Die Frau hatte sich innerlich längst von dem Geliebten verabschiedet, das Abenteuer war verbraucht, in der Bilanz war ihr der Ehemann lieber. Das wollte sie ihm auch vermitteln, sozusagen als Grundlage eines zweiten Frühlings. Seine Reaktion freilich ließ alle Blüten welken. Er war bitterböse, sehr verstört, schwankte zwischen Wutausbrüchen und Selbstmordfantasien.

So kamen die beiden in Therapie – zwei begabte, liebenswürdige Personen, die im Einzelgespräch beträchtlichen Charme entfalten konnten. Sobald sie sich aber gegenüber saßen, sprühten die Funken, die Vorwürfe zirkulierten. Er nannte sie eine Hure und Betrügerin, sie warf ihm vor, er hätte sich jahrelang einen Dreck für sie und ihre Gefühle interessiert. In der psychologischen Analyse solchen Verhaltens fallen dem Therapeuten Stichworte ein wie primitiver Narzissmus: jeder spaltet den Partner, ignoriert dessen gute Seiten und behauptet, diese Teufelin, dieser eiskalte Verbrecher habe es nicht anders verdient, als schlecht behandelt zu werden.

Therapiesitzungen sind in solchen Stimmungen recht lang. Ich habe alles mögliche probiert, um die beiden einander wieder näher- zubringen. Am besten in Erinnerung geblieben ist mir die Frage an den eifersüchtigen Ehemann, ob er schon jemals daran gedacht hätte, die Geschichte mit Humor zu nehmen? Er schaute mich an, wie der Pfarrer ein Kind, das während der Messe kichert. Ich blieb hartnäckig. Ob er denn glaube, er sei der einzige Mann auf der Welt, dem das passiert sei? Im Zweiergespräch hätte ich erlebt, dass er durchaus Humor entwickeln könne. Ihrer beider Missverständnis, ihr Liebeswerben um seine Hassreaktion habe doch auch eine komische Seite.

Anfangs hatte er es für absolut unvorstellbar erklärt, mit dieser Frau ein zweites Kind zu haben. Nach dieser Sitzung – es war vor den Sommerferien – ließen wir offen, ob wir im Herbst weiterarbeiten würden. Die beiden meldeten sich nicht mehr. Ich wurde unsicher. Hatte ich ihn durch meine flapsige Intervention vergrault? Dann kam eine Mail von der Frau: Weitere Termine seien nicht gewünscht, es gehe jetzt auch so, sie sei schwanger.

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