Schwarzer Tag für die Klimapolitik

EU-Gipfel besiegelt Kompromiss / Merkel zufrieden, Verbände enttäuscht

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Die Europäische Union hat sich auf Ziele beim Klimaschutz geeinigt und Konjunkturhilfen von 200 Milliarden Euro auf den Weg gebracht. Deutschland setzte Interessen der heimischen Industrie durch und verhinderte sinkende Mehrwertsteuersätze.

Brüssel/Poznan (dpa/ND). Nach hartem Ringen hat sich der Gipfel der 27 EU-Länder am Freitag in Brüssel auf ein umfangreiches Paket zum Klimaschutz verständigt. Die Staats- und Regierungschefs beschlossen dabei Ausnahmen für energieintensive Industrien und osteuropäische Kraftwerke. »Was hier geschieht, ist historisch«, sagte der französische Präsident und Ratsvorsitzende Nicolas Sarkozy. Die Gipfelteilnehmer betonten, ihr Beschluss werde die Verringerung der klimaschädlichen Treibhausgase um 20 Prozent bis 2020 gewährleisten.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte sich insbesondere für die Interessen der deutschen Industrie stark gemacht. Der Klimaschutz in Europa dürfe hiesige Unternehmen nicht gegenüber Konkurrenten in Ländern mit lascheren Regeln benachteiligen, lautete die deutsche Marschlinie. Für Branchen mit hohem Energieverbrauch sieht der Beschluss nun genau festgelegte Sonderregeln vor. Unternehmen, die zu dieser Gruppe gehören, können ihre Verschmutzungsrechte umsonst bekommen, wenn sie die bestmögliche Technik einsetzen. Für Polen und andere Länder mit alten Kohlekraftwerken sind Sarkozy zufolge Sonderzuteilungen vorgesehen.

Eine Reihe von Umweltverbänden kritisierte hingegen die Ausnahmen. »Dies ist ein schwarzer Tag für die europäische Klimapolitik«, meinten Greenpeace, WWF, Oxfam und andere Organisationen in einer gemeinsamen Erklärung.

Enttäuscht zeigten sie sich ebenfalls vom Verlauf der UN-Klimakonferenz in Poznan, die am Freitag zu ihren Abschlussberatungen zusammengetreten war. »Das war nicht mal ein Fortschrittchen für den Klimaschutz. Ein Jahr ist verschenkt worden«, kritisierte Greenpeace die Konferenzergebnisse. Mit einem dramatischen Aufruf zum sofortigen Handeln hatte der frühere US-Vizepräsident Al Gore zuvor versucht, den stockenden Verhandlungen Schwung zu verleihen.

Im Kampf gegen die Wirtschaftskrise verständigten sich die Staats- und Regierungschefs auf ein Konjunkturpaket von 200 Milliarden Euro oder etwa 1,5 Prozent der gemeinsamen Wirtschaftsleistung. »Die EU ist bereit, gemeinsam gegen den weltweiten Abschwung in ehrgeiziger und abgestimmter Weise zu reagieren«, sagte der britische Premierminister Gordon Brown. Die deutsche Industrie begrüßte das Programm.

Bundeskanzlerin Merkel verhinderte auch Festlegungen der EU-Chefs auf verminderte Mehrwertsteuersätze in der Gastronomie und anderen arbeitsintensiven Dienstleistungen. Frankreich, das derzeit den Ratsvorsitz innehat, wollte dies durchsetzen und hatte seinen Entwurf der Schlusserklärung bereits entsprechend formuliert.

Der irische Regierungschef Brian Cowen versprach eine neue Volksabstimmung über den EU-Reformvertrag. Dieser ist blockiert, seit die Iren ihn im Sommer mehrheitlich ablehnten. Weitreichende Versprechen des EU-Gipfels sollen sie doch noch zur Zustimmung – voraussichtlich im Oktober 2009 – bewegen. Vor allem verzichteten die Staats- und Regierungschefs auf die schon beschlossene Verkleinerung der EU-Kommission von 2014 an. Wie bisher solle jedes EU-Mitglied weiter einen Kommissar stellen dürfen, erklärte der Gipfel.

Zum Abschluss des Gipfels hat die EU laut Sarkozy auch ihre Meinungsverschiedenheiten über die Ausrichtung der gemeinsamen Verteidigung beigelegt. Die EU nimmt einen neuen Anlauf, eine 60 000 Mann starke militärische Eingreiftruppe aufzubauen.

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