Klimawandel bedroht Tagfalter

Neue Studie prognostiziert dramatische Entwicklung der Schmetterlingsfauna

  • Wolfgang Ewert
  • Lesedauer: 2 Min.
Schmetterlinge, insbesondere Tagfalter, sind wohl die Insekten mit den höchsten Sympathiewerten. Trotzdem sind in den letzten Jahrzehnten viele Falterarten rar geworden. Mit den Klimaveränderungen droht ihnen weiteres Ungemach. Dies zeigt der am vergangenen Mittwoch in Berlin erstmals vorgestellte Klimaatlas der Tagfalter Europas.

In siebzig Jahren wird man den Ameisenbläuling nur noch im Harz und in den Alpen finden. Der Aurorafalter wird sich dann bereits völlig aus Mitteleuropa verabschiedet haben. Zwei Beispiele, die die düsteren Aussichten für die meisten europäischen Tagfalterarten verdeutlichen. An Hand verschiedener Zukunftsszenarien zeigt ein internationales Wissenschaftlerteam unter Federführung des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung Leipzig (UFZ), wie die Mehrzahl europäischer Tagfalter auf den Klimawandel reagieren könnte. Die Grundlage dafür bildeten umfangreiche Daten-erhebungen der »Bundesarbeitsgemeinschaft Schmetterlinge« des NABU sowie das vom UFZ betriebene »Tagfalter-Monitoring-Deutschland«. So würde sich der Studie zufolge im ungünstigsten anzunehmenden Fall, bei einem durchschnittlichen Temperaturanstieg in Europa von 4,1 °C bis 2080, für etwa ein Drittel der untersuchten 300 Arten nahezu ihr gesamtes Klimaareal verschieben. Auch der Großteil der übrigen Spezies wäre von erheblichen Lebensraumverlusten betroffen. Und selbst bei Annahme von nur 2,4 °C Erwärmung würden in den kommenden Jahrzehnten 147 Arten die Hälfte ihres derzeitigen geeigneten Areals verlieren.

»Der Trend in der künftigen Verbreitung weist deutlich nach Norden«, so der federführende Autor des Atlasses, Josef Settele vom UFZ. Auch wenn wärmeliebende Arten von den sich verändernden klimatischen Gegebenheiten profitieren, wird die Gesamtbilanz negativ ausfallen, das Artenspektrum schmaler. Dies gilt auch für die in Deutschland heimischen Tagfalter. Die Hälfte der gegenwärtig in Deutschland vorkommenden 190 Arten würden im ungünstigsten Fall ein Drittel ihres gesamten Lebensraumes einbüßen, ein Viertel wäre nahezu völlig verschwunden. Selbst Allerweltsarten wie der Kleine Fuchs oder das Tagpfauenauge würden bei uns zu Exoten.

Ob die betroffenen Schmetterlingsarten den Klimaveränderungen folgen können, wird im Wesentlichen von der Landnutzung bestimmt. Bei vielen Arten – so die Studie – sind die Habitate bereits jetzt so isoliert bzw. die Wirtspflanzen der Raupen zu unbeweglich, um zu überleben. Die Empfehlungen der Wissenschaftler richten sich daher auf den Erhalt, die Vernetzung und Wiederherstellung geeigneter Lebensräume, einen angemessenen Schutz der Natura-2000-Gebiete in ganz Europa und eine bessere finanzielle Unterstützung von Landnutzungen, die der biologischen Vielfalt förderlich sind.

Als alarmierend bezeichnet NABU-Präsident Olaf Tschimpke das Ergebnis der Studie und fordert mit Blick auf die EU-Klimaverhandlungen in Brüssel und Poznan von Politikern und Landnutzern, ihre Verantwortung wahrzunehmen und für den Klimaschutz die richtigen Signale zu setzen.

Der Klimaatlas der Tagfalter Europas (»Climatic Risk Atlas of European Butterflies«) findet sich im Internet unter: www.pensoftonline.net/biorisk

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