Hessen: Aufwärmen für die Wahlkampfschlacht

CDU und SPD motivierten Anhänger und beklebten Opel-Autos, FDP gegen Studiengebühren, LINKE im Widerstreit

  • Von Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 3 Min.
Fünf Wochen vor der Neuwahl des Hessischen Landtags haben am Wochenende CDU, SPD und FDP ihre Landeslisten aufgestellt, Wahlprogramme verabschiede und den Wahlkampf offiziell eingeläutet. Auf Parteitagen in Hofheim, Alsfeld und Niedernhausen stimmten Spitzenpolitiker Delegierten auf eine ebenso kurze wie heiße Wahlschlacht ein.

CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla unterstrich in Hofheim die Bedeutung des hessischen Wahlgangs als Weichenstellung für das Superwahljahr 2009. »Wir glauben Müntefering und Steinmeier kein Wort«, erklärte Pofalla. Die Union brauche in Hessen und im Bund »40 Prozent plus X«, denn nur so könne das Ziel erreicht werden, dass Kanzlerin Angela Merkel mit der FDP weiter regieren kann. Sonst werde die SPD-Führung nach der Bundestagswahl vom 27. September 2009 »ihr Wort brechen« und auch im Bund mit der LINKEN zusammenarbeiten.

Der geschäftsführend amtierende Ministerpräsident Roland Koch gab sich als geläuterter Staatsmann, der nach einem »Jahr der emotionalen Achterbahnfahrt« seine Lektion aus der schweren Niederlage der CDU vom 27. Januar 2008 gelernt und »das Ergebnis verstanden« habe. Wer zwölf Prozent verloren habe, der »wäre schlecht beraten, wenn er nicht auf die Signale der Wähler hört«. Koch möchte mit einer Mehrheit aus CDU und FDP nach dem 18. Januar »diesen Zustand, dass jeder im Landtag Anträge stellen konnte mit dem Risiko, dass sie angenommen werden«, beenden.

Damit spielte er auf Landtagsbeschlüsse an, die SPD, Grüne und LINKE in den letzten Monaten gemeinsam gegen CDU und FDP durchgesetzt hatten – allen voran die Abschaffung von Studiengebühren ab dem Wintersemester 2008/2009. Er werde bei einer Bestätigung als Ministerpräsident in der neuen Legislaturperiode allerdings keine Wiedereinführung von Studiengebühren anstreben, denn man dürfe nicht »mit dem gleichen Kopf zweimal gegen die gleiche Wand laufen«, erklärte Koch, der von über 97 Prozent der Delegierten als Spitzenkandidat bestätigt wurde.

Anders als in früheren Wahlkämpfen verzichtete Koch auf fremdenfeindliche Äußerungen und »Law-and-Order«-Parolen und setzte sich als »kompetenter« Verbündeter und Retter der Opel-Belegschaft in Szene, der Tag für Tag um jeden Arbeitsplatz bei Autobauern und -zulieferern kämpfe.

Vor der Halle waren Opel-Fahrzeuge und auflackierten CDU-Wahlkampfparolen abgestellt, die die Hessen-CDU jetzt im ganzen Land einsetzen will.

»Koch ist kein Wirtschaftsfachmann, sondern Wirtschaftslobbyist und der letzte Jünger von Deregulierung und brutalem Wettbewerb in der Union«, stellte hingegen im 100 Kilometer entfernten Alsfeld sein neuer Herausforderer von der SPD, Thorsten Schäfer-Gümbel, fest. Koch missbrauche die Krise bei Opel zur eigenen Profilierung und »wird auch nicht der zweite Arbeiterführer der CDU werden«.

Der Ministerpräsident sei »mit seiner Politik nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems«. Sein Wirtschaftsliberalismus sei gescheitert, so Schäfer-Gümbel, der ebenso wie Koch mit rund 97 Prozent der Delegiertenstimmen als Listenführer gekürt wurde.

Die SPD-Landesvorsitzende Andrea Ypsilanti konnte sich beim Kampf um Platz 2 mit 277 zu 38 Stimmen gegen die Darmstädterin Astrid Starke behaupten, die als Nachfolgerin der SPD-Rechtsabweichlerin Dagmar Metzger im Wahlkreis Darmstadt II antritt. Auch die Hessen-SPD setzt im Wahlkampf geleaste Opel-Limousinen ein.

Unterdessen ließen Mainstream-Medien nichts unversucht, um die hessischen Wähler vor SPD und LINKEN zu warnen. So warf die »Frankfurter Allgemeine« Schäfer-Gümbel vor, er habe eine »linksextremistische Kampagne« zur Solidarität mit Venezuelas Präsident Hugo Chávez unterstützt. Meldungen über vorgebliche »Stasi-Machenschaften« in der hessischen LINKEN bezeichnete der Landesvorsitzende Ulrich Wilken als Verhöhnung der Stasi-Opfer. Die Unterstellung angeblicher »Demokratie-Defizite« sei »absurd und interessengeleitet«.

Die FDP stellte am Samstag in Niedernhausen die Kandidatenliste auf und verabschiedete ein Wahlprogramm. Dabei stimmte der Parteitag mit 56,4 Prozent der Delegiertenstimmen einem Antrag der FDP-Jugendorganisation Junge Liberale zu, nach dem eine Gebühr für das Erststudium in Hessen ausgeschlossen sein soll.

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