Gebührenerhöhungsfest

  • Bernd Zeller
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Rundfunkgebühren werden angehoben und betragen demnächst 17,98 Euro. Damit bleiben sie deutlich unter der magischen Achtzehn-Euro-Grenze. Noch höhere Abgaben für Fernsehen und Radio hätten die Inflation zwar nicht verstärkt, sie aber noch stärker verdeutlicht; man muss immer mehr Geld bezahlen, um das Gleiche zu bekommen.

Begründet wird die Anhebung mit dem Qualitätsauftrag öffentlich-rechtlicher Sendeanstalten. Eine Erhöhung der Qualität wird nicht versprochen. Bisherige Standards zu halten wird also teurer. Die Talkshow-Gäste haben nichts Besseres zu erzählen als bisher, aber die Fahrtkosten haben sich erhöht. Momentan hat zwar der Kraftstoffpreis etwas nachgelassen, aber man kann aus logistischen Gründen nicht alle Talk-shows der nächsten Jahre jetzt aufzeichnen. Man kann auch nicht die Produktion aller vorgesehenen »Tatort«-Folgen auf diesen Januar vorziehen. Nur beim Fest der Volksmusik würden die Zuschauer keinen Unterschied bemerken, wenn die Samstagssendung nicht live, sondern auf eine solche Weise vorproduziert wäre.

Die privaten Sender, die sich nicht über die Gebühren finanzieren, müssen von Werbeeinnahmen leben, doch da die Krise demnächst ihre volle Wirkung entfaltet, kürzt die Industrie ihre Werbeetats, was die Sender vor die Herausforderung stellt, noch billiger zu arbeiten. Es ist zu hoffen, dass ihnen das gelingt, denn bisher haben die öffentlich-rechtlichen etwas zeitverzögert alles übernommen. Es wäre auch viel effizienter und somit im Interesse der Gebührenzahler, von den Privaten entwickelte billige Formate nachzumachen – wenn möglich ohne teuer abgeworbene Prominente –, als eine Einsparungskommission zusammenzustellen, die an den Effizienzbeirat Empfehlungen gibt, wie die ARD-Gremien für günstigere Programme sorgen könnten.

Einsparungspotenzial bestünde etwa in der Zusammenlegung der Freitags-Movies im ersten mit den Rosamunde-Pilcher-Verfilmungen im ZDF. Zum Glück und dank der Gebühren besteht indes kein Handlungsbedarf. Wären ARD und ZDF privat und auf eigenes Geld angewiesen, müssten sie mittlerweile mit einem Milliardenprogramm staatlich gerettet werden. Der Staat müsste neue Schulden aufnehmen, könnte im Gegenzuge stärkeren Einfluss auf Inhalte verlangen. Ob dies Sinn ergäbe?

Einerseits wäre noch mehr Einfluss auch dem Staat nicht mehr zuzumuten, der bereits jetzt vermittels des Parteienproporzes mit Einflussnahme völlig ausgelastet ist, andererseits könnte darin eine Chance liegen, wenn nämlich die Parteien ihre Einwirkungsmöglichkeiten einbüßten zugunsten eines direkten Handeln des Staates.

Der Staat ist zwar von Politikern der Parteien bewirtschaftet, doch läge der Vorteil eindeutig darin, dass damit die Bürger eine stärkere Beteiligung am Programm bekommen könnten. Im Wahlkampf könnte das Fernsehprogramm zum Thema werden. Die Kandidaten versprechen, nicht nur die Programmverantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen, sondern sich auch persönlich um besseres Fernsehen zu kümmern. Bei den Wahlen könnten Drehbücher oder Sendungskonzepte zur Abstimmung stehen. Oder ein Wahlversprechen für ältere Bürger bestünde darin, neue Folgen von Derrick zu drehen beziehungsweise, was technisch möglich wäre, am Computer zu generieren, damit man den Derrick der Achtziger wiederbekommt. Natürlich lassen sich nicht alle Wahlversprechen einhalten, wie sie gegeben wurden. Aus Rücksicht auf den Koalitionspartner, auf internationale Verpflichtungen und auf unvorhergesehene Ausfälle in den Steuereinnahmen muss Derrick von Veronika Ferres dargestellt werden und gegen Rosamunde Pilcher ermitteln.

Die Gebührenerhöhung sollte also selbstbewusst gefeiert werden, etwa im Gebührenerhöhungsfest der Volksmusik.

Der gebürtige Jenenser (42) belebte 2004 die Satirezeitschrift »pardon« neu.

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