Mafia in der Serie A voll am Ball

Der Einfluss von Cosa Nostra und Camorra im italienischen Fußball wächst

  • Tom Mustroph, Palermo
  • Lesedauer: 4 Min.
Fußball ist ein Millionengeschäft. Weil die Mafia überall dorthin geht, wo Geld zu machen ist, wie bereits der 1992 ermordete Mafia-Jäger Giovanni Falcone angemerkt hatte, wäre es ein Wunder, wenn die klassischen Verbrecherorganisationen nicht auch im Stadion zu finden wären. Zuweilen sind deren Exponenten nur besser gestellte Fans. Im September wurde in Palermo bekannt, dass Manager des dortigen Serie A-Klubs Wochenende für Wochenende etwa 100 Freikarten für die ortsansässigen Mafia-Familien bereitgestellt hatten.

Die Cosa Nostra ist aber nicht nur auf den kleinen Vorteil aus. Ebenfalls in Palermo hatte die lokale Unterwelt versucht, Einfluss auf den Bau des neuen Stadions sowie eines angrenzenden Supermarktkomplexes des Klubbesitzers Maurizio Zamparini zu nehmen. Mafiaboss Salvatore Lo Piccolo wollte ein Signal an Zamparini und den Sportdirektor Foschi senden, erklärte im September dieses Jahres der Mafia-Aussteiger Andrea Bonaccorso. Das Signal war der abgetrennte Kopf eines Lamms, der zu Weihnachten 2006 vor Foschis Villa lag. Foschi war überraschend zu Saisonbeginn entlassen worden. Da war nur einem kleinen Kreis bekannt, dass der verdienstvolle Sportdirektor nicht nur bedroht worden war und die Freitickets ausgestellt hatte. »Er hatte auch undurchsichtige Verbindungen zu Mafiosi gehabt«, beschreibt Antimafia-Staatsanwalt Francesco Del Bene die Umstände, die Foschi letztlich den Job gekostet hatten.

Ausgerechnet Marcello Trapani, Verteidiger des letzten Bosses von Palermo, Salvatore Lo Piccolo (im Herbst 2007 festgenommen), hatte sich als Spielerberater der Rosaneri betätigt. »Ein halbes Dutzend Nachwuchsspieler von US Palermo hatte er unter Vertrag«, erzählt Del Bene dem ND. Zugeführt hatte sie ihm der ehemalige Chef des Nachwuchsbereiches von Palermo, Giovanni Pecoraro. Der war von Mafiosi als »einer von uns« bezeichnet worden. Nach Erkenntnissen der Ermittler hatte das Duo Einfluss auf Palermos Trainer ausgeübt, ihre Mandanten bevorzugt aufzustellen und so deren Marktwert zu steigern.

Im Stadion San Paolo in Neapel hingegen ist die Camorra präsent. »In der Curva A herrscht das Gesetz der Camorra«, bekannte im letzten Jahr ein Aussteiger aus dem Familienclan der Misso. Der junge Mann, er hört auf den spektakulären Namen Emiliano Zapata Misso, war bei Heim- wie Auswärtsspielen in der Fankurve dabei. Er berichtet, dass die Camorra-Clans bestimmen, an welchem Platz im Stadion die Fanklubs Aufstellung nehmen dürfen.

Neapels Polizeichef Antonio Puglisi erzählt im Gespräch mit ND von der Odyssee des Fanklubs der Masseria Cardone. »Sie waren in der Curva A nicht mehr geduldet. Der Mafiaclan der Rione Sanita, die Misso, hatte ihnen den Zutritt verwehrt. Ein Jahr lang schauten sie den Spielen von der Seitentribüne zu, bis sie Aufnahme in der Curva B fanden. Und auch das erst, nachdem die dort herrschenden Familien die Zustimmung gegeben hatten.« Nach Ansicht von Puglisi beherrscht die Camorra jedoch nicht das Stadion, wie Missos Aussage glauben machen könnte: »Das wäre übertrieben. Doch sie managt den Raum.« Zugute kommt ihr die lokale Gliederung der Fanklubs. Jede Ultra-Gruppierung hat ihr eigenes Einzugsgebiet – meist identisch mit dem Herrschaftsbereich eines Clans.

Größeren Einfluss hat die Camorra auf die wirtschaftlichen Aktivitäten rings um das Stadion. Der der illegale Tickethandel und das Wettgeschäft gehören zu den Kernaktivitäten. Zu Maradonas Zeiten hatte die Camorra noch Spiele verschoben und dabei große Wettgewinne eingestrichen. Heutzutage hat sie das Management der staatlich lizensierten Wettbüros in die Hand genommen. »Die Camorra leitet über Strohmänner viele der SNAI-Büros in der Stadt. Das Wettgeschäft ist eine ideale Möglichkeit für die Geldwäsche«, erklärt der Staatsanwalt Antonio Ardituro gegenüber ND.

Neapels illegale Händler haben sich nach Informationen der Tageszeitung »Repubblica« inzwischen globalisiert. Man treffe die rund 3000 Mann umfassenden sogenannten Bagarini weltweit bei Konzerten von Bruce Springsteen und Madonna, vor der Scala und vor den olympischen Arenen. 40 Millionen Euro beträgt laut »Repubblica« der Jahresumsatz.

Angesichts der weitaus größeren Beträge, die im Fußball umgesetzt werden, wirkt der Einfluss der Mafia-Organisationen lächerlich klein. Er ist genauso fein gesponnen und alltäglich wie der Einfluss der Mafia auf Wirtschaft, Politik und Verwaltung generell. Diese Art der Durchdringung machte schon nach Ansicht von Giovanni Falcone die Qualität der mafiösen Strukturen aus. Nur gelegentlich kommen diese Aktivitäten ans Licht. Dann erschrickt, wie überall, auch die Welt des Fußballs. Wenn das nächste Spiel angepfiffen wird, ist jedoch schon vergessen, welcher Spieler von der Mafia protegiert wird, welche Einnahmen sie mit Wetten und Ticketverkauf erzielt und wer Chef im Stadion ist.

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