nd-aktuell.de / 15.12.2008 / Politik / Seite 2

Hochsensibles im Pappkarton

Riesiger Skandal: Zehntausende Kundendaten bei der Landesbank Berlin geklaut

Martin Kröger

Kreditkartennummern, Namen, Adressen, Abrechnungsbelege – und offenbar PIN-Nummern: Zehntausende hochsensible Daten von Kunden der Landesbank Berlin (LBB) tauchten bei der »Frankfurter Rundschau« auf. Pünktlich zum 25. Jahrestag der Geburtsstunde des Datenschutzes beschert sich die Bundesrepublik ihren größten Datenskandal.

Wer sich am Wochenende an den Telefonservice für Kreditkarten der Landesbank Berlin wandte, musste viel Geduld aufbringen. Denn der Service brach unter dem Ansturm besorgter Kunden, die aus den Medien über den Klau von zehntausenden Kundendaten bei der Landesbank erfahren hatten, schlicht zusammen.

»Sobald wir die Unterlagen über den Raub haben, werden wir Sie gegebenenfalls informieren«, beschwichtigt ein Bankmitarbeiter. Die entwendete Datensendung sei in der Obhut der Polizei in Frankfurt am Main. In seiner Stimme schwingt Erleichterung mit. Entgegen den ersten Pressemeldungen seien auch keine PIN-Nummern, mit denen die Konten abgeräumt werden könnten, in der Datensendung enthalten gewesen.

Das behauptete die Landesbank Berlin auch noch gestern Nachmittag auf ihrer Homepage: »In der gestohlenen Datensendung sind keine Geheimnummern (PIN) enthalten, die den Zugriff auf Kreditkartenkonten von Kunden ermöglichen.« Die Frankfurter Polizei räumte indes unterdessen ein, dass das Päckchen offenbar doch PINs enthalten habe, diese seien aber angeblich den Konten nicht zuzuordnen.

Ins Rollen gebracht worden war der Skandal am Freitagabend von der »Frankfurter Rundschau« (FR): Ein Unbekannter hatte der Zeitung ein Päckchen mit zehntausenden Kreditkartendaten von Kunden der Landesbank Berlin zugesandt, die auf Mikrofiches aufgezeichnet gewesen waren. Die Daten sollen auf einer Kurierfahrt eines Subdienstleisters der Bank entwendet worden sein. Mit 1,9 Millionen in Umlauf gebrachten Kreditkarten ist die Landesbank Berlin (LBB) der größte Ausgeber der Republik. Viele Karten firmieren allerdings unter den Namen von Geschäftspartnern wie ADAC, Air Berlin, Amazon, AOL und Simyo. Nach dem Berliner Bankenskandal von 2001 hält die Sparkassengruppe 98,6 Prozent der ehemals landeseigenen LBB.

Wie genau die hochsensiblen Daten im Pappkarton zur FR gelangt sind, blieb gestern trotz polizeilicher Ermittlungen unklar. Die Beamten fahndeten insbesondere nach einem Kurier, der die Datensendung vom externen Abrechnungsdienstleister AtosWorldline zur LBB transportieren sollte.

Auch wenn sich bisher keine Geschädigten an die Öffentlichkeit wandten, stellte der erneute Datenklau alles Bisherige in den Schatten. Bundesdatenschutzbeauftragter Peter Schaar erklärte, der Fall habe eine »neue Qualität«, da es sich um Daten handele, die »eben doch eine größere Sensibilität« aufweisen. Schaar kritisierte zudem das Fehlen eines effektiven Schutzsystems.

Ähnlich äußerte sich der oberste Datenschützer Schleswig-Holsteins, Thilo Weichert, der ebenfalls von einem »unglaublichen, einzigartigen« Fall ausgeht. Insbesondere der Verlust von PIN-Nummern gebe großen Anlass zur Sorge: »Damit können die Kreditkartenkonten bis zum maximalen Kreditrahmen leer geräumt werden«, so der Leiter des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz Schleswig-Holsteins.

Der riesige Skandal trifft die Republik ausgerechnet zum Jahrestag des so genannten Volkszählungsurteils vom 15. Dezember 1983, mit dem das Bundesverfassungsgericht einen Meilenstein des Datenschutzes markierte – und der heute in Karlsruhe mit einem Festvortrag unter dem Motto »Datenschutz – Durchstarten in die Zukunft« begangen werden soll. Als Konsequenz aus dem Skandal fordern Politiker einen wirksameren Schutz. »Die Löcher in der Datenschutznovelle von Schäuble müssen geschlossen werden«, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Volker Beck. Der bei der Linkspartei für den Datenschutz zuständige Bundestagsabgeordnete Jan Korte monierte gegenüber ND besonders die Auslagerung von sensiblen Kundendaten an externe Dienstleister: »Der beste Datenschutz ist Datensparsamkeit.«