nd-aktuell.de / 29.12.2008 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 9

Taschengeld für Billigarbeiter

Dänemark: Betrug an Osteuropa-Arbeitskräften

Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigungen so genannter Ostarbeiter in Dänemark unterliegen nicht den EU-Bestimmungen und sollten dadurch einfacher zu kontrollieren sein. Die Praxis sieht jedoch anders aus. Betrug ist an der Tagesordnung.

Seit 2004 haben Tausende so genannte Ostarbeiter, in der Mehrheit Polen, in Dänemarks Baubranche gearbeitet, in der überdurchschnittlich viele Arbeitskräfte aus Osteuropa beschäftigt sind. Zwar zahlen renommierte Firmen Tariflöhne an ihre Subunternehmen, doch undurchsichtige Konstruktionen erschweren es herauszufinden, wer der eigentliche Arbeitgeber der ausländischen Kollegen ist. Dänische Behörden registrieren eine steigende Anzahl von Miniunternehmen mit äußerst kurzer Lebenszeit, die gern der Zeit eines Bauprojektes entsprechen und durch einen Konkurs abgeschlossen werden. Die dänische Staatskasse wird so um Millionen Kronen betrogen. Da das Erstellen von Lohnzetteln aber nach Angabe der Baugewerkschaft TIB die Ausnahme ist oder sie ausgestellt werden, um die polnischen Heimatbehörden um soziale Abgaben zu betrügen, ist es in der Regel unmöglich, das zu beweisen. Nichts deutet darauf hin, dass ein längerer Aufenthalt in Dänemark zu besseren Arbeitsbedingungen führen würde. In anonymen Untersuchungen geben polnische Kollegen, die ein Jahr oder länger in Dänemark gearbeitet haben, an, mehrfach betrogen worden zu sein. Das betrifft 80 Prozent der Bauarbeiter aus Osteuropa. Beschäftigte in der Servicebranche berichteten, dass sie ihre Unterkünfte bezahlen mussten und sich ihr Einkommen dadurch auf ein Taschengeld reduzierte.

Die dänischen Gewerkschaften sehen undurchsichtige Einstellungsprozeduren, Sprachbarrieren und die soziale Isolation der osteuropäischen Arbeiter als Ursachen für die Betrügereien an. Das Leben und Schlafen im Bauwagen auf der Baustelle sei an der Tagesordnung. Der gewerkschaftliche Organisationsgrad der Arbeiter wird auf weniger als drei Prozent geschätzt. Mit den Rahmentarifverträgen ihrer dänischen Kollegen seien sie nicht vertraut. TIB zufolge hielten die Angst vor der Arbeitslosigkeit im Heimatland und der teilweise illegale Aufenthalt die osteuropäischen Arbeiter davon ab, berechtigte Forderungen zu erheben. Sie wenden sich nur im äußersten Notfall an die Baugewerkschaft.

Den Gewerkschaften ist der Vorwurf nicht zu ersparen, ungenügend auf neue Herausforderungen reagiert zu haben. Blockaden von Arbeitsplätzen werden durchgeführt, um die Arbeitsplätze eigener Mitglieder zu schützen, während es keine zentrale Stelle bei den Gewerkschaften gibt, an die sich osteuropäische Arbeiter wenden könnten, die sich in den Strukturen nicht auskennen und die dänische Sprache nicht sprechen.