nd-aktuell.de / 05.01.2009 / Politik / Seite 5

»Die Opfer zu Tätern gemacht«

Palästinenser in Deutschland fordern internationalen Druck auf Israel

George Rashmawi ist Pressesprecher der Palästinensischen Gemein- den in Deutschland.
George Rashmawi ist Pressesprecher der Palästinensischen Gemein- den in Deutschland.

ND: Die Palästinensischen Gemeinden in Deutschland haben mit der Koordination »Gegen den Krieg in Gaza« Nordrhein-Westfalen am Sonnabend in Düsseldorf demonstriert. An wen wollten Sie mit dieser Demonstration appellieren?
Rashmawi: Wir appellieren an die deutsche Regierung, an die EU und an die UNO. Sie müssen uns unterstützen, damit dieser Krieg gestoppt wird. Israel hatte den Palästinensern in Gaza 48 Stunden gegeben, um einen neuen Waffenstillstand zu verhandeln, und dann haben sie nicht einmal 24 Stunden gewartet und angegriffen. Leben wir etwa im Urwald? Ohne internationale Gesetze, ohne Menschenrechte? Wohin soll das führen?

Bundeskanzlerin Merkel und Außenminister Steinmeier haben sich hinter Israel gestellt.
Sie verwechseln Ursache und Wirkung. Wir sind besetzt, nicht Israel. Wir leiden unter dieser Besatzung und nicht die israelische Bevölkerung. Die israelische Bevölkerung leidet, weil es keinen Frieden gibt und keine Sicherheit, das ist wahr. Aber Frau Merkel und Herr Steinmeier sollten Israel klarmachen, dass es über den Leichen der Palästinenser keinen Frieden geben wird. Das sollten sie mit allen Mitteln tun, die ihnen zur Verfügung stehen. Ich meine, nicht militärisch, sondern wirtschaftlich! Sie müssten damit nur drohen, dann würde Israel schon einlenken, aber sie machen gar nichts. Die Erklärungen von Frau Merkel und Herrn Steinmeier machen die Opfer von heute zu Tätern, das ist unakzeptabel.

Was will Israel mit dem Krieg erreichen?
Der Widerstandswille des palästinensischen Volkes soll gebrochen werden. Sie wollen Hamas als Partei und als militärische Kraft schwächen, aber das werden sie nicht schaffen, denn das gesamte palästinensische Volk stellt sich hinter den militärischen Widerstand.

Seit Monaten gibt es Streit unter den Palästinensern, kann es eine Lösung geben?
Es gibt drei Schritte für eine Lösung. Erstens einen sofortiger Waffenstillstand in Gaza, zweitens die Aufhebung der Blockade und drittens müssen die Palästinenser ihre Einheit wieder herstellen. Die arabische Welt muss sich hinter die Forderungen der Palästinenser stellen und aufhören, sich in die Interessen des palästinensischen Volkes einzumischen.

Wer kann vermitteln?
Die EU könnte vermitteln, die Türkei könnte vermitteln, denn sie hat gute Beziehungen zu Israel und zu den Palästinensern. Russland kann vermitteln, China auch. Außerdem gibt es Palästinenser, die direkten Kontakt mit Israel haben, die können auch vermitteln. Zum Beispiel Mahmud Abbas.

Der scheint angesichts des Krieges verstummt.
Er hat nach einem Ausgleich gesucht, aber aktuell geht das nicht. Entweder ist er mit dem palästinensischen Volk oder dagegen. Es gibt keinen Mittelweg.

Welche Rolle spielen die Wahlen in Israel?
Wer mehr von uns tötet, hat mehr Chancen bei den Wahlen in Israel Anfang Februar. Das sieht man bei den Umfragen. Die Arbeitspartei von Ehud Barak, der den Krieg gegen uns führt, und die Likudpartei haben heute mehr Stimmen als die Kadima Partei von Ehud Olmert und Zipi Livni.

Fragen und Foto: Karin Leukefeld