Über Thälmann und die Welt

Die Einigkeit der Arbeiterklasse, das gemeinsame Handeln aller kommunistischen und sozialistischen Gruppierungen wurde vor der Ernst-Thälmann-Gedenkstätte immer wieder beschworen. Das belegt der neue, zweite Band der »Ziegenhalser Reden«. Festgehalten ist darin, wer dort in den Jahren 2003 bis 2008 was gesagt hat. Es handelt sich um die Jahre nach der Versteigerung des Areals. Bekanntlich erhielt ein hochrangiger Beamter aus dem brandenburgischen Bauministerium den Zuschlag und verwehrte nachher den Zugang. Die Reden mussten also bei den Kundgebungen auf der Straße davor gehalten werden.

Gesammelte Reden, das klingt nicht gerade verlockend. Ohne Floskeln, ohne Phrasen auch, geht es tatsächlich nicht ab. Trotzdem liest sich die Broschüre gut. Es finden sich auch viele kluge Worte. Gesprochen haben mit Peter Florin und Erich Selbmann Söhne von Teilnehmern der berühmten KPD-Tagung von 1933, die anderswo auch als Funktionärskonferenz bezeichnet wird. Gesprochen haben Egon Krenz, Ex-DKP-Chef Herbert Mies und auch NVA-Armeegeneral Heinz Keßler.

Neofaschistische Umtriebe, Sozialabbau und Kriege wären Anlass genug, den kleinsten gemeinsamen Nenner der Linken zu suchen. Zudem gibt es den historischen Bezug. Der KPD-Vorsitzende Thälmann hatte im Sporthaus Ziegenhals die Aktionseinheit schließlich noch einmal gefordert. Doch mehr als ein Redner nutzt die Gelegenheit für Seitenhiebe oder gar scharfe Attacken auf die Linkspartei. Einheitsfront Fehlanzeige!

In Ziegenhals treffen sich Kommunisten und Sozialisten, in Ziegenhals und um Ziegenhals streiten sie sich. Hans Modrow erinnerte im Februar 2007 an Kommunisten, die dem Stalinismus zum Opfer fielen. Kurt Andrä, der als Sekretär Wilhelm Piecks arbeitete, attackierte ihn dafür bei der nächsten Gelegenheit im April scharf.

Ziegenhals und Thälmann – das sind heiße Themen. Schon der Hinweis, Gastwirt Wilhelm Mörschel sei Sozialdemokrat gewesen, löst eventuell Empörung aus. Im Anhang des Buchs ist eine Konferenz dokumentiert, die sich gegen »Fälschung und Entwürdigung« Thälmanns und der Gedenkstätte wendet. Hier stehen vor allem Entgegnungen auf Thesen, die der Historiker Ronald Sassning in seiner Broschüre »Rückblicke auf Ernst Thälmann« publizierte.

So legt Kurt Gossweiler in seinem Beitrag dar, Thälmann sei im Zuge der Wittorf-Affäre 1928 nicht nur durch ein Machtwort Stalins gerettet worden. Noch bevor Stalin über die Angelegenheit informiert war, haben sich die Mitglieder des Zentralkomitees Gossweiler zufolge korrigiert. Der Vorwurf in der Affäre lautete, der KPD-Vorsitzende habe einen Fall der Unterschlagung von Parteigeldern vertuschen wollen. Die Antworten auf Sassning sind scharf formuliert. Der Kampf um Ziegenhals wird nicht nur gegen den Eigentümer geführt.

»Ziegenhalser Reden. Bd. II«, hrsg. vom Freundeskreis der Thälmann-Gedenkstätte, 174 S. (brosch.)

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