Das Palais mit den goldenen Gittern

Das »scheenste« Berliner Privathaus aus dem 18. Jahrhundert am Rande des Nikolaiviertels in Mitte

  • Friedrich Kleinhempel
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Serie »Berliner Miniaturen« möchte auf Kleinode in der Stadt aufmerksam machen, an denen man meist vorbeigeht, die aber bedeutende Zeugnisse der Geschichte Berlins sind. Dr. Hans-Joachim Beeskow und Dr. Friedrich Kleinhempel werden diese nicht selten unterschätzten Orte in Wort und Bild vorstellen.

Dieser bürgerliche Rokokobau mit acht paarigen dorischen Säulen und prachtvoll geschmiedetem Balkongitterspiel an der abgerundeten Front wurde als »vielleicht das schönste Privathaus Berlins aus dem 18. Jahrhundert« beschrieben und im Volksmund »de scheenste Ecke« genannt. Seine üppig-geformten goldenen Gitter ziehen die Blicke wie magisch an.

Die Baugeschichte des »Ephraim-Palais« mit den goldenen Gittern vor der »runden Ecke«, des Eckhauses am Rande des Nikolaiviertels, direkt an der Mühlendammbrücke, mutet wie ein Thriller an. Sie schließt Einsturz, Abrisse, Ortsveränderung und mindestens viermaligen Aufbau von Grund auf sowie Um- und Erweiterungsbauten im Laufe der Jahrhunderte ein. Niemand hat es gewagt, dieses Haus, das dem Straßenverkehr im Wege stand, abzutragen.

Als älteste Apotheke Berlins war das Haus seit 1488 Offizin, d. h. Lager, Laboratorium und Verkaufsraum des Hof- und Rats-Apothekers. Der Alchemist und Erfinder des europäischen Porzellans, Johann Friedrich Böttger, war hier ab 1696 Lehrling des Apothekers Friedrich Zorn. Weil Böttger aber heimlich betrügerische Goldherstellung experimentierte und erwischt wurde, floh er nach Sachsen, wo er im kurfürstlichen Arrest in Meißen das »weiße Gold« erfand. Berlins »scheenste Ecke« war dann ab 1710 Wohn- und Arbeitsstätte des Königlichen Baudirektors. 1727 zog der Verlag der »Wöchentlichen Berlinischen Frage- und Anzeigungsnachrichten« ein, des ersten kommerziellen Anzeigenblattes in Berlin.

Nathan Veitel Heine Ephraim, Bankier, Münzpächter in Berlin, Leipzig und Dresden, Mühlen-, Fabrik- und Immobilienbesitzer, Hoffaktor und Gläubiger des preußischen Königs Friedrich II., erwarb das Haus 1762 und ließ es von Grund auf neu bauen. Den Bauplan für die heutige Gestalt lieferte der Königliche Baumeister und Oberbaudirektor der Kurmärkischen Kammer, Friedrich Wilhelm Diterichs.

Ephraim wurde berühmt-berüchtigt durch seine im Komplott mit Friedrich II. groß angelegten Münzfälschungen zur Finanzierung des Siebenjährigen Krieges um Schlesien (1756-63) und zur persönlichen Bereicherung. Sein König ernannte ihn zum »Wirklichen Hofjuwelier« und verlieh ihm, dem Juden, ausnahmsweise die Rechte christlicher Kaufleute.

Die königlich gedeckte Falschmünzerei blieb zunächst unbemerkt, denn Ephraim verwendete skrupellos u. a. echte sächsische Münzprägestempel. Tatsächlich hatten seine Münzen deutlich geringeren Gold- und Silbergehalt als gesetzlich vorgeschrieben, dafür mehr Kupferanteil. Die Münzen wurden aber zum Preis der echten ausgegeben – mit erheblichem Gewinn. Der Krieg wurde finanzierbar, doch die Leute bekamen für ihre »Ephraimiten« nicht den Gegenwert echten Geldes.

Nach Besitzerwechsel hatte die Stadt das Palais 1843 gekauft und darin Polizeipräsidium mit Offizierswohnungen und Einwohnermeldeamt untergebracht. Zwecks Verbreiterung der Mühlendammbrücke, die dem Großstadtverkehr nicht mehr gewachsen war, wurde das Palais 1936 abgerissen – gegen den Protest zahlreicher Berliner und von Baufachleuten. Mehr als 2000 Bauteile und der plastische Schmuck der Fassade wurden für einen eventuellen Wiederaufbau aufbewahrt. Vieles davon ging im Zweiten Weltkrieg verloren; die gesamte Dokumentation – Zeichnungen, Messbilder, Fotografien – ist verbrannt. Erst 1987, nach Übergabe noch vorhandener Bauteile aus Westberlin an die DDR (im Tausch gegen das Archiv der KPM) und nur dreijähriger Bauzeit, erstrahlte das Haus in alter Schönheit wieder – vom historischen Standort nur Meter entfernt.

Die sonnenstrahlend vergoldeten Balkongitter hat der Berliner Kunstschmied Hans-Joachim Kunsch nach alten Fotografien maß- und formgerecht neu geschmiedet, so dass mit ihrer üppigen Rokoko-Formenpracht und ihrem Glanz das Palais wieder die »scheenste Ecke« ist – heute ein Museum der Stiftung Stadtmuseum Berlin.

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