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Weißes Gold aus Rügen

Abgebaute Kreide wird vor allem in Kohlekraftwerken eingesetzt

  • Martina Rathke, Stralsund
  • Lesedauer: 3 Min.
Auf Rügen wird immer mehr Kreide wirtschaftlich genutzt. Tourismus- und Umweltverbände sehen dies mit großer Skepsis.

Der Maler Caspar David Friedrich prägte ein Bild von der Insel Rügen, das noch heute jährlich Millionen von Touristen gefangen nimmt. Doch wenige Kilometer hinter den geschützten Kreidefelsen rücken Schürfbagger dem »weißen Gold« zu Leibe. »Kreide ist ein wertvoller Rohstoff für Landwirtschaft, Kraftwerkstechnik, chemische Industrie oder den Umweltschutz«, sagt der Leiter des Bergamtes in Mecklenburg-Vorpommern, Martin Froben. Die Verwendung für heilende Peelingbäder und Schlammpackungen ist zwar imagefördernd, fällt beim Absatz aber kaum ins Gewicht.

Wie Kalk besteht Kreide aus Kalziumkarbonat, den rund 70 Millionen Jahre alten Ablagerungen von Schalen und Skeletten kleinster Lebewesen in den von Dinosauriern beherrschten Kreidemeeren. Weil die Kreide aber im Gegensatz zum späteren Kalkstein nicht so stark von anderen Gesteinsschichten überdeckt wurde, ist sie ein wesentlich weicheres Material, wie Froben erläutert. Kalkstein findet sich vor allem in südlicheren Gegenden, Kreide in Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein und Niedersachsen.

Die Lagerstätte auf Rügen hat ein Volumen von 32 Millionen Tonnen. Im vergangenen Jahr wurde mit rund 354 000 Tonnen so viel von dem Rohstoff abgebaut wie nie zuvor in der rund 200-jährigen Geschichte des Kreideabbaus auf der Insel. 2009 rechnet das Bergamt mit rund 380 000 Tonnen. Unumstritten ist die Verwertung des Bodenschatzes jedoch nicht. Das Unternehmen, die Vereinigte Kreidewerke Dammann KG aus Söhlde (Niedersachsen), lässt seit Jahren keinen Journalisten auf das Gelände und gibt auch keine Auskünfte über Abbaumengen und Kunden.

Das Unternehmen will auf Rügen ein weiteres Areal erschließen. Auf einer Fläche von 260 Hektar befinden sich Lagerstätten mit Vorkommen für die kommenden 100 Jahre. Das Planfeststellungsverfahren für den Abbau auf der Hälfte dieses Areals steht laut Bergamtschef Froben kurz vor dem Abschluss. Tourismus- und Umweltverbände beäugen das Vorhaben kritisch. »Der Landschaftsverlust ist nicht kompensierbar«, sagt die Vorsitzende des Naturschutzbundes auf Rügen, Marlies Preller. »Der exorbitante Abbau zerstört die Naturlandschaft und befördert fossile Energieträger – das ist doch schizophren.«

Gerade in Kohlekraftwerken findet die Rügener Kreide reißenden Absatz. Mehr als die Hälfte der Jahresförderung geht an den Energieriesen Vattenfall, der das feinkörnige Material zur Rauchgasentschwefelung im Braunkohlekraftwerk Jänschwalde (Brandenburg) einsetzt. Der Einsatz von Kreide statt Kalkmehl sei weniger aufwendig, koste weniger und bringe bessere Ergebnisse, sagt Unternehmenssprecher Peter Fromm. Aufgrund der positiven Erfahrungen wolle Vattenfall die Rügener Kreide auch bei der Rauchgasentschweflung in der Pilotanlage Schwarze Pumpe einsetzen, in der die Abscheidung und unterirdische Speicherung von CO2 getestet wird.

Inzwischen entdeckt die Tourismus- und Wellnessindustrie Kreide als Heilstoff. Hotels und Physiotherapien bieten Bäder in der milchigen Flüssigkeit oder ein Peeling mit dem allergenfreien Peloid an. Nach Einschätzung des Vereins Rügener Heilkreide verbessern Kreidepackungen das Hautbild, wirken zudem schmerzlindernd bei Rheuma-Erkrankungen, Gelenkbeschwerden oder Hautkrankheiten. dpa

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