nd-aktuell.de / 06.01.2009 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 11

Klima-Ablasshandel mit dem Osten

Spanien will Emissionsrechte für bis zu 159 Millionen Tonnen CO2 kaufen

Ralf Streck, Madrid
Anstatt eigene Klimaschutzprojekte voranzutreiben, verlässt sich Spanien darauf, dass es seine überschüssigen Emissionen anderen Ländern verkaufen kann. Am besten eignet sich dafür der ehemalige Ostblock.

Die sozialistische spanische Regierung spuckt zwar gerne große Töne zum Klimaschutz, doch die Praxis sieht finster aus. Obwohl Windenergie und Photovoltaik massiv ausgebaut wurden, führt Spanien die Hitliste beim Verstoß gegen das Kyoto-Klimaschutzprotokoll weiter unangefochten an. Wegen der nachholenden Entwicklung wurde dem Land schon ein Plus von 15 Prozent beim CO2-Ausstoß zugestanden, aktuell liegt Spanien aber fast 53 Prozent über der Marke von 1990. Als erstes Land kauft es nun massiv in Osteuropa Emissionsrechte ein, womit sich die schlimmsten Befürchtungen von Umweltschützern bewahrheiten.

Schon im November wurde gemeldet, dass Spanien in Verhandlungen mit Ungarn stehe, um Zertifikate für sechs Millionen Tonnen CO2 zu kaufen. Nun wurde der Kauf bestätigt. Aus dem Umweltministerium verlautete, Spanien sei eines der ersten Länder, das in Osteuropa Emissionsrechte kaufe. Über den Kaufpreis machte die Staatssekretärin für Klimawandel, Teresa Ribera, keine Angaben. Sie erklärte ebenso unkonkret, die Verträge seien an Investitionen in saubere Energien gekoppelt.

Warum man den Klimaschutz nicht selbst betreibt und das viele Geld in CO2-Verminderung in Spanien investiert, sagte sie nicht. Doch das Abkommen liegt ganz auf der Linie des Umweltministeriums, das es als solches nicht mehr gibt. Es wurde nach den Wahlen im vergangenen März in ein Ministerium für Umwelt-, Land- und Maritimangelegenheiten verschmolzen. Elena Espinosa, die frühere Ministerin für Landwirtschaft und Fischfang, fiel aber nie durch Umweltschutz auf.

Espinosa verhandelt auch mit Polen, Tschechien, der Ukraine und den baltischen Staaten über den Ankauf von Emissionsrechten. Der Osten bietet sich dafür an, denn durch den ökonomischen Zusammenbruch nach dem Mauerfall brachen dessen Emissionen unfreiwillig ein. Sie steigen zwar wieder, liegen aber noch deutlich unter dem Niveau von 1990. Ungarn kann großzügig CO2-Emissionsrechte verkaufen, denn dort hat sich der Ausstoß seit 1990 über 30 Prozent verringert. Spanien will Zertifikate für 159 Millionen Tonnen CO2 erwerben, um seine Kyoto-Verpflichtungen erfüllen zu können. Bei 30 Euro pro Tonne CO2 – und dieser Preis gilt unter EU-Energiepolitikern als moderater Tarif – kostet der Ablasshandel Spanien fast fünf Milliarden. Dabei verfügt das Land über ideale Bedingungen, um seinen Energiebedarf aus erneuerbaren Energien zu decken. Das Geld wäre auch in der klimafreundlichen Aufforstung, mit der der starken Wüstenbildung begegnet werden könnte, besser aufgehoben.

Spanien erwartet, dass 2008 und 2009 die CO2-Emissionen sinken. Doch auch das ist kein Erfolg der Regierung, sondern ein Misserfolg ihrer Wirtschaftspolitik: Denn der Rückgang ist der massiven Wirtschaftskrise geschuldet, in die das Land weiter abrutscht. Einige der größten Dreckschleudern sind Zementwerke, deren Emissionen nach dem Ende des Baubooms wegen der geplatzten Immobilienblase deutlich zurückgehen. Insgesamt sinkt die Produktion stark. Das bescherte dem Land schon 2008 die höchste Arbeitslosigkeit in Europa. Dass der aus Geldmangel erfolgte Rückgang privater Autofahrten und die damit einhergehende sinkende Emissionsbelastung die spanische Klimabilanz jedoch retten kann, ist nicht zu erwarten.