Achim Kühns »Bücher aus dem Feuer«

Berliner Kunstschmied stellt in der Mittelpunktbibliothek Köpenick aus

  • Wolfgang Weiß
  • Lesedauer: 3 Min.

Eine schwere, unebene, dunkle Stahlplatte liegt auf rotem Wüstensand. Sie ist durchzogen von tiefen Furchen, die das Ganze dreizuteilen drohen, ohne es wirklich zu tun. Symbole für Islam, Judentum und Christentum deuten auf die drei Religionen der Jahrtausende alten Stadt hin, der dieses Kunstwerk gewidmet ist. Es trägt den Titel »Buch für Jerusalem« und gehört zu einer Ausstellung des Kunstschmiedes Achim Kühn, die zeitgleich und thematisch gut abgestimmt mit der neuen Mittelpunktbibliothek in Alt-Köpenick eröffnet wurde.

»Bücher aus dem Feuer« nennt der Metallkünstler aus dem Berliner Südosten seine 17 in der Sonderausstellung gezeigten Werke, mit denen er die infame Bücherverbrennung der Nazis vom 10. Mai 1933, der damals vor allem jüdische und progressive Autoren zum Opfer gefallen waren, sozusagen umkehrte. Unter der geübten und leichten Hand des Meisters waren in der Bohnsdorfer Werkstatt in vielen Jahren kleine Kunstwerke zum Thema Buch entstanden. Begonnen hatte es 1988 mit dem »Buch für ein unbeschriebenes Blatt«. Es war ursprünglich für eine Ausstellung im bulgarischen Gabrowo vorgesehen, wurde aber dann vom damaligen DDR-Künstlerverband doch nicht dort hin geschickt. Achim Kühn hat seither 30 Kopien der Metallarbeit, die ein Buch zeigt, aus dem eine weiße Seite hervorragt, schon in alle Welt verkauft.

Gleich zwei Mal, in einer Grossform und in Miniaturvarianten, ist das »Buch der Erinnerung« vertreten. Hier sind übereinandergeschichtete Seiten zu sehen, die sich nach unten, in die Vergangenheit, immer mehr zu verlieren scheinen. Das Kleinformat dieses »Buches« stellt der Kunstschmied seit 2005 als Zeitzeugenpreis für einen Berliner Verlag her. Die »Stahlbibliothek« von Achim Kühn trägt auch Titel wie »Buch mit sieben Siegeln« oder »Buch voller Gedanken«.

Der Berliner Künstler stammt aus einer Familie, in der das Kunstschmiedehandwerk und der Metallbau seit Generationen zur Tradition gehören. Vater Fitz Kühn verdankt Berlin bekannte Werke der Schmiedekunst, wie die Brunnenskulptur am Strausberger Platz oder die Kupfertür der Stadtbibliothek.

Auch der 1942 geborene Sohn Achim hat in der Hauptstadtstadt schon viele künstlerische Spuren hinterlassen. Von seiner Hand stammen die aus drei Tonnen Kupfer bestehende »Gigantengruppe« auf dem Dach des Postmuseums sowie die Figuren auf dem Schauspielhaus am Gendarmenmarkt. Wie sein Vater hat er sich auch dem Thema Brunnen zugewandt und insgesamt sieben davon in Berlin installiert, so zum Beispiel den in Hohenschönhausen, der den vier Jahreszeiten gewidmet ist.

Insgesamt schuf Achim Kühn, der die Ausbildung als Kunstschmied mit der Meisterprüfung ebenso abschloss wie ein Architekturstudium als Diplomingenieur, über 60 Werke im öffentlichen Raum von Berlin. Auch seine Kinder setzen die Familientradition fort. So arbeitet die 1971 geborene Tochter Coco als bildende Künstlerin und ist die Initiatorin der gerade auf dem Schloßplatz eröffneten Temporären Kunsthalle. Sohn Tobias, geboren 1974, hat sich innerhalb der Atelier-Werkstatt seines Vaters in Bohnsdorf als Industriedesigner und Metallbauer selbstständig gemacht.

»Bücher aus dem Feuer«, noch bis zum 4. Februar, Mittelpunktbibliothek Köpenick, Alter Markt 2, Mo., Mi., Fr., 10-19 Uhr, Di., Do. 10-20 Uhr, Sa. 10-14 Uhr.

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