Schlitten werden Mangelware

Unfreiwillige Rutschpartien hielten sich in Grenzen / BSR schiebt Sonderschichten

  • Bernd Kammer
  • Lesedauer: 4 Min.
Viel Arbeit für Autofahrer und die Männer von der BSR.
Viel Arbeit für Autofahrer und die Männer von der BSR.

Berlin hat sich über Nacht in eine Winterlandschaft verwandelt. Am Montagmorgen war die Stadt mit einer Schneedecke überzogen, die in den Außenbezirken stellenweise eine Stärke von bis zu 20 Zentimetern erreichte.

Schwerstarbeit für die Männer von den Berliner Stadtreinigungsbetrieben (BSR). »Seit dem Wochenende ist unsere Winterdienstflotte mit 2000 Mitarbeitern und 450 Räum- und Streufahrzeugen rund um die Uhr im Einsatz«, so BSR-Sprecher Bernd Müller. Zunächst seien die Hauptstraßen und die Strecken des öffentlichen Nahverkehrs geräumt worden, seit dem Vormittag ging es auch in die Nebenstraßen. Allein 4000 Kilometer Hauptstraßen müssen von den Männern in Orange bearbeitet werden. In wichtigen Kreuzungsbereichen und bei Glättebildung kommt auch Feuchtsalz zum Einsatz. »Für die Gehwege sind die Grundstückeigentümer verantwortlich«, betonte Müller.

Die Unfallstatistik bescheinigte der BSR gute Arbeit: Bis elf Uhr wurden rund 50 Unfälle registriert, nicht mehr als an anderen Tagen. Ein Polizeisprecher lobte die Autofahrer sogar für ihr besonnenes Verhalten. Am Nachmittag glaubten manche aber offenbar, dass die Glättegefahr gebannt sei. Die Folge: 135 Unfälle in zwei Stunden. Dass in der Pasewalker Straße in Pankow und auf der Kreuzung Moll-/Otto-Braun-Straße in Mitte ein Pkw bzw. Lkw ins Gleisbett der Straßenbahn rutschten und deren Verkehr zeitweilig blockierten, lag nicht am Schnee. Der sorgte aber vermutlich dafür, dass der Tunnel Altglienicke auf der A 113 am Sonntagabend kurzzeitig gesperrt war. »Die Höhenkontrolle, die verhindern soll, das zu hohe Lkw in die Röhre fahren, hatte ausgelöst«, so Torsten Klein von der Verkehrslenkung Berlin (VLB). Das Witterungs-Problem habe man aber schnell im Griff gehabt. Ansonsten registrierte die VLB gestern »normalen Verkehr, der allerdings etwas langsamer lief«.

Auch der öffentliche Nahverkehr verlief weitgehend reibungslos. »Lediglich auf den Buslinien hatten wir Verspätungen, die bei Betriebsbeginn in Randgebieten wie Frohnau oder Marienfelde bis zu 40 Minuten betrugen«, sagte BVG-Sprecherin Petra Reetz. Das habe sich aber schnell normalisiert, die BSR sei auch in den Außenbezirken schnell gekommen.

Die S-Bahn verzeichnete vereinzelte Verspätungen, »weil die Züge nicht so Bremsen und Beschleunigen können wie an normalen Tagen«, so Sprecher Ingo Priegnitz, der sich aber auch über vollere Züge freute. »Viele Autofahrer sind offenbar zu uns umgestiegen.« Stärker frequentiert waren trotz aller Vorsicht auch die Kliniken der Stadt. In den neun Rettungsstellen von Vivantes mussten viele Menschen mit Prellungen und Knochenbrüchen behandelt werden. »Ich hätte mich aber nicht gewundert, wenn der Ansturm noch größer gewesen wäre«, sagte der Chefarzt der Unfallchirurgie im Klinikum Neukölln, Dr. Reinhold-Alexander Laun.

Des einen Leid – längst hat der Run auf winterliche Fortbewegungsmittel eingesetzt. In der »Galeria Kaufhof« am Alex waren gestern Holzschlitten ausverkauft. »Die letzten zwei wurden am Vormittag verkauft«, bestätigte der Chef der Sportabteilung, Gunnar Wyrembek. Die Situation sei durch den Konkurs eines Thüringer Herstellers verschärft worden, aber ab Mitte der Woche werde Nachschub erwartet.


Wetteraussichten für die nächsten Tage

Die Wetterlage in der Region Berlin-Brandenburg ist für den Monat Januar nicht außergewöhnlich. »Zum letzten Mal war es vor 2 Jahren flächendeckend so kalt«, erklärt Diplommeteorologe Martin Jonas vom Deutschen Wetterdienst aus Frankfurt am Main. Extrem kalte Winter seien in Deutschland eher normal – inwiefern sich der Klimawandel auf die Temperaturentwicklung auswirke, könne man dagegen noch nicht abschließend sagen.

Dass die extremen Minustemperaturen des Nachts entstehen, hängt mit der Wettersituation der letzten Tage zusammen: Nach dem Durchzug einer Wolkenfront, die uns die kräftigen Schneefälle beschert hat, fließt jetzt polare Kaltluft nach. Im Gegensatz zur extremen Kälte vor zwei Jahren stammt diese Luft aber nicht wieder aus Sibirien, sondern kommt aus dem Polarmeer. Sie gelangte über Skandinavien nach Deutschland.

Nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes bleibt das kalte Wetter in den nächsten Tagen stabil: Nachts liegen die Werte im zweistelligen Minusbereich. In lokalen Kältepolen kann es das Thermometer auch mal minus 20 Grad anzeigen. Im Stadtinnern werden diese Werte allerdings nicht erreicht werden, weil hier diverse »Stadteffekte« auf die Temperatur Einfluss nehmen. MK
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