nd-aktuell.de / 12.01.2009 / Kultur / Seite 4

Der Stille

F. C. Delius / Der Schriftsteller erhält den Evangelischen Buchpreis 2009

Hans-Dieter Schütt

F.C. Gut, das ist eine Abkürzung für Friedrich Christian. Aber immerhin schrieb er eine Erzählung mit dem Titel »Der Sonntag, an dem ich Weltmeister wurde«, und zahlreiche Interviews, die der Schriftsteller gab, kreisten um Fußball, eine gebrochene Leidenschaft inzwischen, kaputtgegangen am Grobianismus von Fans und Geschäft.

Delius, 1943 in Rom geboren und im hessischen Wehrda aufgewachsen, gehört zu den stillen Erzählern des Landes. Er hat sich in ironischer Abgrenzung gern als Sechsundsechziger bezeichnet; sein Leben verfing sich nie in etwas verlockend Programmatischem, es zog seine Bestandskräfte aus bekömmlicher Zögerlichkeit und selbstbewusster Zurückhaltung. »Kerbholz« hieß sein erster Gedichtband, darin schreibt er von der Bitte um ein einziges Streichholz, man gibt ihm eine ganze Schachtel. »Also/ gehe ich umher als/ Brandstifter«. So ist das mit den Zufällen, die ein Leben ändern; die Abgründe einer Existenz lauern in der Trivialität einer Alltagsgeste. Sechsundsechziger – das meint: bleibendes Gespür für die natürlichen, wilden, spontanen Anfänge des Aufruhrs, 1968 sah Delius schon vieles verhärtet, die linke Dogmatisierung begann.

Gestartet im Literaturbetrieb hatte er als Lektor bei Klaus Wagenbach, aber die Beziehung zerbrach, weil Delius eine basisdemokratische Auffassung vertrat, die weit ins verlegerische Konzept einzugreifen trachtete. Er wurde Lektor bei Rotbuch, schrieb den Bestseller »Unsere Siemens-Welt« (1972) – was zu Prozessen mit dem Konzern führte. Das einst jüngste Mitglied der Gruppe 47 verfasste eine Trilogie über den Deutschen Herbst, er liebt die Glosse (Sammlung »Warum ich schon immer Recht hatte – und andere Irrtümer«), er verfolgte im Roman »Mein Jahr als Mörder« den Ehrgeiz eines Studenten, den 1968 freigesprochenen Nazi-Richter Rehse zu erschießen. In seinem rührend-komischen Buch »Der Spaziergang von Rostock nach Syrakus« erzählte der Rowohlt-Autor von einem DDR-Schwejk, der tatsächlich aus dem Mauerstaat in die Welt aufbrach. Literatur, immer wieder, als Grenzsprengung wider jede Realität. Dieser ewige Schnee von gestern. Aber, so schrieb Delius, »ohne Schnee von gestern kein Frühling, keine Fruchtbarkeit.«