Abgeltungssteuer: Für »arme« Sparer wird es durch die Neuregelung komplizierter

Fiskus

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Mit der neuen Abgeltungsteuer sollte alles einfacher werden. Jedenfalls versprach dies die Bundesregierung. In Zukunft soll die Bank einfach alle Sparerträge beim Finanzamt abgelten. Fertig. Tatsächlich wird das Versprechen nicht eingehalten. Besonders für Leute mit geringem Jahreseinkommen kann es sich weiterhin lohnen, alle Zinserträge in der Einkommensteuererklärung anzugeben.

Die neue Abgeltungsteuer ist seit dem 1. Januar 2009 in Kraft. Seither werden sogenannte Kapitalerträge, wie Zinsen und Dividenden, einheitlich mit 25 Prozent besteuert; und auch für Veräußerungsgewinne von Aktien, Investmentfonds und Zertifikaten kassiert der Fiskus nun pauschal einen Steuersatz von 25 Prozent. Zusätzlich zu diesen 25 Prozent werden noch der Solidaritätszuschlag und eventuell die Kirchensteuer erhoben und von den Zinserträgen und Spekulationsgewinnen abgezogen. Die neue Regelung greift für alle Zinsanlagen und für neue Wertpapierkäufe ab 2009.

Die Geldinstitute behalten die fällige Abgeltungsteuer quasi automatisch ein und überweisen sie direkt ans Finanzamt. Damit ist dann die Steuerschuld des Anlegers abgegolten, und die erst 2004 eingeführte Jahresbescheinigung der Bank über Kapitalerträge und Veräußerungsgewinne entfällt. Insofern vereinfacht die Abgeltungssteuer das Leben der deutschen Sparer.

Positiv ist die neue Pauschalsteuer vor allem für »Reiche«: Ehrliche Anleger, die bislang für ihre Kapitalerträge mit einem Steuersatz von über 25 Prozent vom Finanzamt veranlagt wurden, profitieren nämlich von der Neuregelung reichlich. Bislang unterliegen private Kapitalerträge der Einkommensteuer und damit dem persönlichen Steuersatz, der bis zu 42 Prozent betragen kann. Zukünftig werden für diese Erträge nur noch 25 Prozent fällig.

Für »arme« Sparer mit einem persönlichen Steuersatz unter 25 Prozent wird es durch die Neuregelung kompliziert. Sie können künftig die Differenz zwischen ihrem tatsächlichem Steuersatz von beispielsweise 14 Prozent und den abgeführten Kapitalsteuern von 25 Prozent im Rahmen der Einkommensteuererklärung zurückfordern. In unserem Beispiel wären das also 11 Prozentpunkte.

Für »Ottilie Normalsparerin« ist eine zweite Änderung im Umfeld der Abgeltungssteuer wichtig: Der bisherige Sparerfreibetrag von 750 Euro und die Werbungskostenpauschale von 51 Euro werden ab diesem Jahr vom »Sparer-Pauschbetrag« abgelöst. Dieser Pauschbetrag fasst den bisherigen Sparer-Freibetrag und die Werbungskostenpauschale zusammen.

Unterm Strich bleiben damit zwar wie bisher 801 Euro an Kapitaleinkünften pro Jahr und Anleger steuerlich freigestellt, aber auch hier gibt es einen Haken. Die bisherige Möglichkeit, bei höherem Aufwand die tatsächlichen Geldanlagekosten als Werbungskosten steuerlich geltend zu machen, entfällt. Auch der Spekulationsfreibetrag für Kursgewinne von 512 Euro im Jahr wurde ersatzlos gestrichen.

Tipp: In jedem Fall sollten Sie – wie bisher – »Freistellungsaufträge« bei Banken und Sparkassen ausfüllen und hinterlegen, um innerhalb des zulässigen Gesamtrahmens (801 Euro) weiterhin Spareinkünfte vor dem Übertrag ans Finanzamt zu sichern.

Mancher Kleinanleger kann zudem die Abgeltungsteuer – wie bisher – mit einem Antrag auf Nichtveranlagung beim Finanzamt ganz vermeiden. Für die meisten Rentner, Studenten und auch für teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer lohnt es sich, einen entsprechenden Antrag auf Nichtveranlagung beim Finanzamt zu stellen. Kleinsparer, deren Kapitalerträge zwar den Sparer-Pauschbetrag von 801 Euro übersteigen, die aber voraussichtlich keine Einkommensteuer zahlen müssen (weil beispielsweise die Einkünfte zu niedrig sind), sollten sich eine solche »Nichtveranlagungsbescheinigung« besorgen. Diese gibt es beim örtlichen Finanzamt und sie gilt für drei Jahre. Damit vermeiden Sie, dass die Bank ihr Geld erst zum Finanzamt überweist und Sie es per Einkommensteuererklärung mühsam 2010 wieder zurückfordern müssen.

Wer Mitglied einer Kirche ist, sollte seiner Sparkasse oder Bank außerdem die genaue Kirchenzugehörigkeit mitteilen und sie mit dem Einzug der Kirchensteuer auf die jährlichen Kapitalerträge beauftragen. Fehlt der Auftrag, wird das Geldinstitut lediglich die Abgeltungsteuer sowie den Solidaritätszuschlag »automatisch« abziehen.

Und die private Rente? »Auf Anlageformen, die ausschließlich der privaten Altersvorsorge dienen, wird keine Abgeltungsteuer erhoben«, teilt das Bundesfinanzministerium mit. Das heißt: Riester-Fondssparpläne, Rürup-Renten und betriebliche Vorsorgepläne bleiben während der Ansparphase von der Abgeltungsteuer ausgenommen.

Keine Ausnahme bildet dagegen eine der populärsten Geldanlagen: Für kapitalbildende Lebensversicherungen gilt die neue Abgeltungsteuer – entgegen teilweise anderslautender Medienmeldungen – jedoch auch! Grundsätzlich bleibt es zwar bei Renten- und Kapitallebensversicherungen bei dem bisherigen Steuerprivileg, wonach nur die Hälfte des Ertrags steuerlich erfasst wird. Hier gilt dann der persönliche Einkommensteuersatz. Dazu muss der Vertrag allerdings mindestens zwölf Jahre laufen und die Auszahlung nicht vor dem 60. Lebensjahr erfolgen. Wenn dagegen diese Bedingungen nicht eingehalten werden, wird der gesamte Ertrag mit der Abgeltungssteuer belegt. Altverträge, die bis 2004 abgeschlossen wurden, sind unter bestimmten Bedingungen weiterhin komplett steuerfrei.

Die neue Abgeltungssteuer bringt noch weitere Änderungen mit sich. Mit Einführung entfällt die einjährige Spekulationsfrist für Veräußerungsgewinne von Aktien und Fondsanteilen, die Sie ab dem 1. Januar 2009 erwerben. Damit sind Kursgewinne nach Ablauf von zwölf Monaten Haltedauer nicht mehr steuerfrei gestellt. Egal, wann Sie Wertpapiere kaufen und wieder verkaufen – es fällt immer die 25-prozentige Abgeltungsteuer an.

Zugleich wird das Halbeinkünfteverfahren abgeschafft. Das bedeutet: Sie müssen Dividendenzahlungen und Kursgewinne von Aktien nunmehr zu 100 Prozent versteuern und nicht mehr wie bisher zu 50 Prozent. Der Steuervorteil von Dividenden gegenüber Zinsen ist damit passé.

Ebenso ist die Verrechnung von Verlusten nun abgeschafft. Allerdings können Steuerpflichtige realisierte Altverluste aus privaten Veräußerungsgeschäften (also Verluste, die nach dem bisherigen Steuerrecht bis Ende 2008 entstanden) noch für eine Übergangszeit bis zum Jahr 2013 mit Einkünften aus der Veräußerung von Kapitalanlagen, wie zum Beispiel Gewinnen aus Aktien und Fondsverkäufen, verrechnen. Angesichts der Finanzkrise im vergangenen Jahr eine lukrative Ausnahmeregelung, die dem Fiskus noch teuer zu stehen kommen könnte. Eine Verrechnung mit Zinseinkünften oder Dividendenausschüttungen ist jedoch nicht zulässig; diese war aber auch nach dem bisherigen Recht nicht erlaubt.

Bei Zertifikaten greifen Ausnahmen. Sie gelten schon dann als steuerpflichtiger Neufall, wenn Anleger sie nach dem 14. März 2007 erworben haben und nach dem 30. Juni 2009 wieder veräußern.

Finanzminister Peer Steinbrück ist zufrieden mit seiner Reform. Die einheitliche Besteuerung der verschiedenen Spar- und Anlageformen von pauschal 25 Prozent erleichtert die individuelle Entscheidung. »Nicht der steuerliche Aspekt, sondern die individuelle Lebensplanung sollte im Vordergrund stehen«, empfiehlt Steinbrück. Sparer sollten sich also darauf konzentrieren, welche Anlageform ihrem Bedarf in punkto Risikobereitschaft, Rendite und Liquidität am meisten gerecht wird. Ansonsten bringt die neue Abgeltungsteuer für die meisten, aber eben nicht für alle Steuerpflichtigen eine deutliche Arbeitsentlastung mit sich.

Dr. HERMANNUS PFEIFFER

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