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»Brauchen die NPD nicht«

Abgeordnete im Vogtland ausgetreten / Einfluss auf Wahlchancen?

  • Hendrik Lasch, Dresden
  • Lesedauer: 3 Min.
Die NPD ist nicht mehr im Kreistag Vogtland vertreten, nachdem zwei Abgeordnete ihren Austritt erklärten. Auslöser sind Zerwürfnisse zwischen NPD und Freien Kräften, die auch die Chancen bei der Landtagswahl Ende August beeinträchtigen könnten.

Die Euphorie in der NPD war groß nach den sächsischen Kommunalwahlen vom Juni 2008: Die Partei brachte es nicht nur landesweit auf 5,1 Prozent, sondern schaffte auch den Einzug in alle zehn Kreistage. Ein halbes Jahr später ist die flächendeckende Präsenz aber bereits Geschichte: Im Kreistag Vogtland ist die NPD nicht mehr vertreten. Die beiden Abgeordneten Nicole Fortak, bisher Kreisvorsitzende der Partei, und Olaf Martin, Betreiber des rechten Szeneladens »Ragnarök« in Mylau, haben ihren Austritt erklärt und gehören dem Kreistag nun als Parteilose an.

Auslöser für die Trennung sind gravierende Differenzen zwischen NPD und Freien Kräften, denen Fortak und Martin nahestehen. Sie eskalierten bei einer Demonstration in Reichenbach Anfang November, bei der es zu Streit zwischen dem Landtagsabgeordneten Jürgen Gansel und örtlichen Aktivisten kam. Gansel, der sich als Chefideologe der sächsischen NPD versteht, nahm Anstoß an Transparenten und Parolen wie »Nationaler Sozialismus jetzt«. Sie stellen einen in der NPD unerwünschten Bezug zur NS-Zeit her. Die Partei knüpfe zwar inhaltlich ebenfalls an politische Positionen des NS-Regimes an, sagt Petra Zais vom Mobilen Beratungsteam des Kulturbüros Sachsen. Angesichts anhaltender Verbotsdiskussionen und einer womöglich abschreckenden Wirkung auf die Wähler »wollen sie es aber nicht so nennen.«

Die NPD versucht den Bruch im Vogtland zu bagatellisieren und wirft den Abtrünnigen »politische und persönliche Unreife« vor. Deren Antworten bezeugen indes die tiefe Enttäuschung über die NPD in der freien Szene. Sie sei »nur noch eine Systempartei«, ihre Aktivitäten »politischer Hurenkram«. Fortak erklärt in Anspielung auf Landtags-Fraktionschef Holger Apfel, es gebe »in Dresden Obst, welches schon lange überreif ist und aussortiert gehört«. Im Internet erklärt sie: »Wir brauchen die NPD nicht; die NPD braucht uns.«

Diese Einschätzung wird von der Partei bestritten, ist aber durchaus zutreffend. Bei Plakatschlachten und anderen Aktivitäten im Wahlkampf baut die NPD stark auf Angehörige der freien Szene, sagt Zais. Auch Kandidaten werden in diesem Milieu rekrutiert. Die Zusammenarbeit sei »von großer Bedeutung für die NPD«, sagt denn auch der bündnisgrüne Landtagsabgeordnete Johannes Lichdi – und könnte, wenn sie aufgekündigt wird, deren Chancen auf einen Wiedereinzug in den Landtag bei der Wahl am 30. August gefährden. 2004 schaffte es die Partei in Sachsen mit 9,2 Prozent erstmals seit Langem wieder in ein Landesparlament. Seither sanken die Umfragewerte für die NPD, befördert durch fortgesetzte Querelen und viele Skandale in der zerbröselten Landtagsfraktion, aber deutlich.

Direkt werden sich Zerfallserscheinungen wie im Vogtland auf das Wahlverhalten kaum auswirken, glaubt Zais: »Das registrieren die Wählern nicht.« Womöglich nehmen sie aber nach dem Streit auch die NPD weniger wahr: Die Freien Kräfte seien schließlich deren »Fußvolk«, so Lichdi: Die Partei sei »nur wahlkampffähig, wenn die Zusammenarbeit mit den Kameradschaften gelingt«.

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