Kein Applaus für Konjunkturpaket

Nur die Bundesregierung ist von ihren Rettungsmaßnahmen überzeugt

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Kaum beschlossen und schon in der Kritik: So könnte man die Reaktionen auf das zweite Konjunkturpaket der Großen Koalition zusammenfassen. Linkspartei, Grüne, FDP, Sozialverbände und auch der DGB fordern Nachbesserungen. Die Liberalen drohten bereits, das Paket im Bundesrat scheitern zu lassen.

Berlin (ND/Agenturen). Bundeskanzlerin Merkel zeigte sich am Dienstag zuversichtlich, dass Deutschland durch das zweite Konjunkturpaket gestärkt aus der wirtschaftlichen Krise hervorgehen werde. Das »größte Maßnahmenpaket« in der Geschichte der Bundesrepublik mit einem Volumen von 50 Milliarden Euro zeige die »Größe« und »Dimension« der derzeitigen Wirtschaftskrise. Damit habe sich Deutschland nicht dem »atemlosen Wettbewerb« anderer Länder zur Bewältigung der weltweiten Krise angeschlossen, sondern sich von der »nüchternen Analyse« der Lage leiten lassen. Zentrale Punkte des umstrittenen Pakets sind Steuer- und Abgabensenkungen sowie mehr Investitionen in die öffentliche Infrastruktur. Für Unternehmen, die frisches Geld benötigen, wird es staatliche Kredite und Bürgschaften geben. SPD-Verhandlungsführer Peter Struck äußerte die Hoffnung, dass Bundestag und Bundesrat das Paket möglichst schnell billigen werden, damit die Maßnahmen schon zum 1. Juli in Kraft treten können. Allein das Investitionsprogramm, das vor allem Ausgaben in Bildungseinrichtungen vorsieht, umfasst rund 18 Milliarden Euro.

Allerdings hat die FDP bereits ihren Widerstand im Bundesrat angekündigt. Die Liberalen verlangen zahlreiche Nachbesserungen. FDP-Parteivize Rainer Brüderle meinte gegenüber dem »Handelsblatt«, dass nach der Wahl in Hessen im Bundesrat über die einzelnen Konjunkturmaßnahmen noch einmal deutlich gesprochen werden müsse. Die FDP setzt darauf, dass sie nach der Hessen-Wahl am kommenden Sonntag mit in der Wiesbadener Regierung sitzt. Dann hätte die schwarz-rote Bundesregierung keine Mehrheit mehr im Bundesrat und müsste verstärkt Kompromisse suchen. Das Konjunkturpaket wird voraussichtlich zur höchsten Nettoneuverschuldung seit Bestehen der Bundesrepublik führen. Gleichzeitig haben Union und SPD aber eine Schuldenbremse vereinbart, die für den Staat die Kreditaufnahme spätestens ab dem Jahr 2015 deutlich schwerer machen soll. Die Koalitionsparteien hatten im Rahmen des Konjunkturpakets auch mehrere soziale Maßnahmen beschlossen. So sollen die Hartz-IV-Regelsätze für Kinder von sechs bis 13 Jahren erhöht werden. Eltern, die Kindergeld beziehen, sollen für jedes Kind einmalig 100 Euro zusätzlich erhalten. Davon sind allerdings Sozialleistungsempfänger ausgeschlossen. Bei der Steuer werden Familien durch einen niedrigeren Eingangssteuersatz von künftig 14 statt 15 Prozent entlastet, außerdem soll der Grundfreibetrag auf 8004 Euro angehoben werden. Der Krankenkassenbeitrag soll um 0,6 Prozentpunkte sinken.

Den Sozial- und Wohlfahrtsverbänden gehen die Entlastungen für Familien nicht weit genug. Der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Ulrich Schneider, erklärte, die Bundesregierung habe die historische Chance vertan, Konjunkturmaßnahmen mit einer wirksamen Bekämpfung der Armut zu verbinden. Der Caritasverband begrüßte die Anhebung von Hartz-IV-Leistungen für Schulkinder, forderte aber eine Erhöhung für alle Altersgruppen. Ähnlich äußerten sich der Sozialverband Deutschland, das Deutsche Rote Kreuz und das Zukunftsforum Familie.

Auch die Gewerkschaften halten das Konjunkturpaket für unzureichend. Insbesondere die Steuersenkungspläne der Koalition gehen DGB-Chef Michael Sommer nicht weit genug. »Das Manko ist dort, wo wir über Steuersenkungen reden, die wirklich total verpuffen, die auch nicht gegenfinanziert sind«, sagte Sommer im RBB-Inforadio. Kritik kam auch von der LINKEN. So attestierte der Vorsitzende der Linksfraktion, Gregor Gysi, dem zweiten Konjunkturpaket »eine schwere soziale Schieflage«. Normalverdienende würden nur lächerlich entlastet, Geringverdiener, Rentner und Sozialleistungsbezieher gingen weitgehend leer aus.

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