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Schlagabtausch mit 300 km/h

Trendsport aus Berlin: Weil Badminton zu langsam war, entwickelte ein Seefahrer Speedminton

Das, was man kaum erkennt, ist der Ball. Jan May in Aktion.
Das, was man kaum erkennt, ist der Ball. Jan May in Aktion.

Bill Brandes hat schon als Kind mit seinem Vater Badminton gespielt, mal mit Netz, mal ohne in der freien Variante. Als er später zur See fuhr, habe es auf dem Schiff zwar Platz zum Spielen gegeben, erzählt der 56-Jährige, »doch der Wind machte ein Spiel unmöglich. Badminton war eher was für die Häfen«. Irgendwann begann er, an den Federbällen herumzufrickeln und sie zu beschweren. So konnte er dem Wind trotzen, und außerdem machte er das Spiel damit schneller. Heraus kam ein Spielgerät, das Brandes »Speeder« nannte und das seit sieben Jahren in Serie gefertigt wird.

Jan May, ein Seemannsfreund von Bill Brandes, hat nicht minder ein Faible für das Kuriose. Der 44-Jährige ist ein Hüne und könnte Zehnkämpfer sein, spielte aber Tennis in der Bundesliga und begeistert sich für die schottischen Highland Games, wo es Disziplinen wie Baumstammwerfen und Steinstoßen gibt. Als Brandes den neuen Ball entwickelt hat, der ein schnelles Spiel zulässt, gründete May mit sechs Freunden den Verein »Lucky Smash«. Damit war Speedminton in Berlin aus der Taufe gehoben. Sechs Jahre später ist die Sportart ein Exportschlager und wird in 26 Ländern gespielt.

Die Sporthalle in der Pankower Dolomitenstraße ist ein stiller Ort, in dem nur die Schläge zu hören sind. Sie hallen mehr als beim Badminton, weil die Bespannung des Schlägers so fest wie beim Squashracket ist. Der Speeder ist indes kleiner als ein Federball und kann überaus wuchtig geschlagen werden. Das Spielfeld orientiert sich an den Maßen eines Tennisplatzes, auf jeder Seite wird jedoch nur eines der hinteren Rechtecke genutzt. Es gibt kein Netz, und gerade die schnell und tief gespielten Bälle sind tückisch. Bei den Cracks erreicht er eine Geschwindigkeit von annähernd 300 km/h. Damit ist Speedminton die schnellste Racketsportart der Welt.

Die Spielfeldbegrenzungen in der Halle werden mit Gummibändern ausgelegt. Noch gibt es keine eingelassenen Linien für Speedminton. Dass der Sport noch in den Kinderschuhen steckt, zeigt auch ein Wirrwarr bei den Regeln. Der Verein »Lucky Smash« leitet seine Zählweise vom Tischtennis ab. Ein Satz geht bis 21, und alle fünf Angaben wird gewechselt. Gibt es einen Körpertreffer, so ist der Satz sofort beendet. »Dieser Lucky Smash ist die Krone unseres Sports«, erzählt Jan May. Pomadig dürfe kein Spieler auftreten, auch bei einem komfortablen Vorsprung könne eine Unachtsamkeit das Blatt wenden. Bei Turnieren hingegen wird ohne diese Regel gespielt. Da geht ein Satz nur bis 16 und gewechselt wird alle drei Angaben.

Bill Brandes fährt schon lange nicht mehr zur See, sondern kümmert sich um die Vermarktung seines Sports. Die Berliner Firma Speedminton stellt bisher als einzige die Schläger her. Brandes hat sich das Spielgerät lizenzieren lassen, was für ihn recht ertragreich ist – er denke halt an seine Rente, schmunzelt der 56-Jährige. Anfänglich hätten Tennis- oder Badmintonspieler eher kritisch auf diesen neuen Sport geschaut; doch mittlerweile habe sich das gelegt, erzählt Brandes. In einem US-Werbeclip schwingt nun auch Tennis-Star Maria Sharapowa den Speedminton-Schläger, während sie lasziv »komm, lass uns spielen« in die Kamera säuselt. Das scheinen die Spieler von »Lucky Smash« zu beherzigen.

Jan May möchte keinesfalls traditionelle Sparten verdrängen oder mit ihnen in Konkurrenz treten – wohl aber mit diesem Trendsport den Leistungsaspekt ein wenig in den Hintergrund rücken lassen. Speedminton ist zwar rasant, dennoch gleicht die Atmosphäre beim Training einem lockeren Spiel nach Feierabend in der Clique. Zum Warmmachen wird noch ohne Punkte gespielt, dann folgen einzelne Matches im Stile eines offenen Schlagabtauschs. Und am Ende: das obligatorische Shakehands. Natürlich.

www.speedminton.de oder www.speedmintonverein.de
Das war der letzte Teil der ND-Serie Breitensport. Also: Runter vom Sofa und Sport frei!

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