nd-aktuell.de / 15.01.2009 / Brandenburg / Seite 23

Neurosen, Macht und Märchen

Die Reihe »Politische Körper« in der Akademie der Künste widmet sich Reinhild Hoffmann

Volkmar Draeger
»Vier«, Choreografie und Tanz von Reinhild Hoffmann, 1992
»Vier«, Choreografie und Tanz von Reinhild Hoffmann, 1992

Für die Programmreihe »Politische Körper«, in der die Akademie der Künste die Aufbrüche des zeitgenössischen Tanzes aufzeigt, wird das Jahr 2009 besonders fruchtbar. Was 2008 mit Gerhard Bohner und Susanne Linke begann, setzt sich nun mit Künstlern unterschiedlichster Couleurs von Maja Plisetskaja über William Forsythe bis VA Wölfl und Pina Bausch fort.

Den Jahresauftakt bestreitet eine dreiwöchige Reminiszenz an Reinhild Hoffmann, die lange neben Pina Bausch die zweite große Protagonistin westdeutschen Tanztheaters war. Ihre Ausbildung erhielt die 1943 im schlesischen Sorau Geborene an einer Karlsruher Ballettschule, hauptsächlich jedoch bei Kurt Jooss an der Folkwang-Hochschule in Essen, ehe sie zusammen mit Pina Bausch das Folkwang-Tanzstudio leitete, dann Tänzerin bei Johann Kresnik in Bremen wurde und bereits mit ersten Choreografien Preise holte.

Den Durchbruch brachte 1977 »Solo mit Sofa«, Hoffmanns Gleichnis auf die Situation der Frau: Die Schleppe ihres Abendkleids fesselt sie an das ebenfalls weiße Möbel, beraubt sie ihrer Freiheit. Durch die Teile »Bretter«, »Steine« und »Auch« ergänzt, avancierte jenes Solo zum überaus erfolgreichen, bis 1984 gut 60 Mal gegebenen Gesamtabend. Ihre fruchtbarste Zeit hat Hoffmann 1978-86, zunächst gemeinsam mit Gerhard Bohner, als Direktorin des Bremer Tanztheaters. Dort entstehen wichtige Produktionen wie »Unkrautgarten« um die Neurosen innerhalb der Familie, »Könige und Königinnen« über das Ränkespiel um die Macht, und, als wohl populärste Kreation, »Callas«, mit der Operndiva als Typus des gehetzten Künstlers. Besonders die beiden letzten Stücke, zu sehen auch 1987 beim Gastspiel im damaligen Metropol-Theater, verbinden Bildkraft mit einer eigenständigen tänzerischen Bewegungssprache.

Als Fortführung ihrer Bremer Recherchen, indes weniger prägend gilt ihre Direktorenschaft 1986-95 am Bochumer Tanztheater, wo auch die bitterböse Märchencollage »Machandl« Rätsel aufgab. Seither arbeitet Hoffmann als freie Choreografin und Opernregisseurin mit Wohnsitz in Berlin.

Im Zentrum der Retrospektive in der Akademie am Hanseatenweg steht ab 18.1. die Ausstellung »Objekte Körper in Bewegung«. Reinhild Hoffmann hat sie selbst inszeniert, nennt sie »eine choreografische Installation« und verknüpft darin originale Bühnenobjekte mit Filmaufnahmen von Vorstellungen. Ein eigener Bildraum zeigt jüngste Beispiele ihrer Opernregie.

Tags zuvor, am 17.1. ab 18 Uhr, vereint der Eröffnungsabend Musik, Tanz, Film, Gespräch und Buchpräsentation. Er greift damit Hoffmanns stetes Interesse an Gegenwartskomposition und Bildender Kunst auf. So wird sie selbst zu Live-Musik agieren. Nele Hertling und Norbert Servos moderieren diesen Abend mit Wegbegleitern, an dem Servos auch seine Neuerscheinung »Solange man unterwegs ist – Die Tänzerin und Choreografin Reinhild Hoffmann« vorstellt. Am 7.2 ab 18 Uhr machen Choreografen der jüngeren Generation nach mehrtägiger interner Begegnung öffentlich, wie Hoffmanns Werk auf ihre künstlerischen Ansätze nachwirkt.

In Tanz, Lecture und Gespräch sind der Wiener Philipp Gehmacher, das Hamburger Duo deufert & plischke und, natürlich, Reinhild Hoffmann selbst zu erleben.

17.1.-8.2., Akademie der Künste, Hanseatenweg 10, Charlottenburg, Kartentelefon: 200 57 20 00 / 10 00, Infos unter www.adk.de[1]

Links:

  1. http://www.adk.de