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»Bauernopferjagd« auf Werner Goldmann

Sportler fordern Wiedereinstellung des Kugelstoß-Bundestrainers / Ruf nach Amnestie für »Dopingtrainer«

Die dreifache Diskuswurf-Weltmeisterin Franka Dietzsch (Neubrandenburg) ist empört, wie sie gegenüber ND erklärt: »Es ist doch ein Ding der Unmöglichkeit, dass ein früherer DDR-Trainer auch heute noch am Pranger steht für Dopingvergehen, die 25 Jahre und mehr zurückliegen. Ich kenne ›Goldi‹ seit vielen Jahren aus Trainingslagern. Er hat mich zweimal direkt betreut, weil mein Trainer Dieter Kollark nicht konnte. Ich schätze Werner Goldmann fachlich und menschlich. Er hat sich nach der Wende nichts zu schulden kommen lassen. Warum also jetzt die Kampagne gegen ihn? Für mich gab es kein Zögern, den Brief zu unterschreiben.«

Franka Dietzsch gehört zu den insgesamt 20 Athletinnen und Athleten, die in einem Offenen Brief (siehe Kasten) an das Bundesinnenministerium, den Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) und den Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) gegen die zum Ende des Jahres 2008 erfolgte Kündigung des Kugelstoß-Bundestrainers Werner Goldmann wegen dessen Vergangenheit im Dopingsystem der DDR protestieren.

Neben Dietzsch beklagen so renommierte Leichtathleten wie die Speerwurf-Olympiadritte Christina Obergföll (Offenburg), Diskuswurf- Vizeweltmeister Robert Harting (Berlin), die Kugelstoßerinnen Petra Lammert (Neubrandenburg) und Nadine Kleinert (Magdeburg), deren Disziplinkollegen Ralf Bartels (Neubrandenburg) und Peter Sack (Leipzig) die »Bauernopferjagd« und fordern eine Wiedereinstellung des 58-jährigen Trainers.

Goldmann, der beim TSC Berlin Ulf Timmermann 1988 in Seoul zum Kugelstoß-Olympiasieg führte, betreut heute als Heimtrainer den Vizeweltmeister Robert Harting und die U-18-Weltmeisterin im Diskuswurf, Julia Fischer. Ein Strafverfahren wegen Dopings, das Ende der 90er Jahre zwei ehemalige Athletinnen gegen Goldmann anstrengten, wurde gegen Zahlung von 2000 Euro eingestellt.

Der DLV hatte den Vertrag von Goldmann zum 31. Dezember 2008 auslaufen lassen, nachdem die Anti-Doping-Kommission des DOSB unter Vorsitz des Bundesverfassungsrichters a.D. Udo Steiner geurteilt hatte, Goldmann sei ins Dopingsystem der DDR verstrickt gewesen und sei von daher ein DDR-»Dopingtrainer« – nach mehr als 25 Jahren.

Der DLV begründet seinen Schritt gegen Goldmann damit, »dass es keinen anderen Handlungsspielraum nach der Entscheidung der Anti-Doping-Kommission des DOSB gab, als den Vertrag nicht zu verlängern«. DLV-Präsident Clemens Prokop, Jurist aus Kelheim (Bayern), meinte ergänzend, dass er auch keine Chance für eine Wiedereinstellung Goldmanns wegen dessen Dopingvergangenheit sehe. »Das schließen die Förderrichtlinien des Bundesinnenministeriums aus.« Nach Prokop müsse der deutsche Sport aber »Möglichkeiten der Resozialisierung von DDR-Trainern mit einer Dopingvergangenheit« erwägen. Zugleich verschanzt sich der DLV dahinter, dass »Goldmann ja kein Berufsverbot« habe, sondern »nach wie vor in Berlin Kaderathleten betreuen« könne.

Beim DOSB, wo nach Aussage von Pressesprecher Gerd Graus der Brief bis Mittwochnachmittag noch nicht vorlag, verweist man auf den kommenden Montag: »Am 19. Januar wird das DOSB-Präsidium über den ganzen Vorgang beraten.« Man kann aber davon ausgehen, dass der DOSB sich weiter hinter seine Anti-Doping-Kommission stellt und dem DLV eine Weiterbeschäftigung Goldmanns untersagt.

Unmissverständliche Töne schlägt der Leiter der DLV-Trainerschule, Wolfgang Killing, an. Der 55-jährige ehemalige Hochsprung-Bundestrainer aus Mainz unterstrich gegenüber ND seine Forderung nach »einer längst fälligen Amnestie für DDR-Trainer, die in Dopingvergehen verstrickt waren. Ein solcher Schritt ist überfällig.« Jedoch befürchtet er: »Man wird die Amnestie angesichts der damit verbundenen politischen Widerstände hinausschieben.« Doping im DDR-Sport sei eine »nicht zu rechtfertigende Sache« gewesen, »aber eine Aufarbeitung dieser Vergangenheit hat man Anfang der 90er Jahre versäumt. Am jetzigen Umgang mit dem Fall Goldmann stört mich: Alle wussten, dass er sonst im DDR-Sport nicht hätte arbeiten können. Es muss endlich ein Schlussstrich gezogen werden.«

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