Zauberwort: neue Technologien

Internationale Foren zur Ernährungssicherung auf der Grünen Woche

  • Rosi Blaschke
  • Lesedauer: 3 Min.
Gegenwärtig leiden weltweit fast eine Milliarde Menschen Hunger. Die Nachfrage nach Nahrungsmitteln steigt: Neun Milliarden Menschen werden 2050 auf der Erde leben. Auf der Grünen Woche in Berlin wird geschlemmt. Aber es geht dort auch um das Menschenrecht auf Nahrung für alle.

Zumindest versuchte die 2. Internationale Agrarministerkonferenz am Wochenende auf der Grünen Woche, sich der »Sicherung der Welternährung als globaler Herausforderung für Politik und Wirtschaft« zu nähern. Roberto Rodrigues, ehemaliger Agrarminister Brasiliens, betonte eindringlich, dass die Landwirtschaft in der Zukunft weitaus größere Bedeutung gewinnen werde. Immer mehr müssten von immer weniger Menschen ernährt werden. Mehr Bodenfläche für den Anbau stehe nicht zur Verfügung. Und er sagte das Zauberwort dieses Forums: Investitionen in neue Technologien – ergänzt durch die Forderung nach Abbau des Handelsprotektionismus sowie Förderung des Genossenschaftswesens, vor allem in Entwicklungsländern.

Die Agrarproduktion zu technisieren, zu industrialisieren, forderte der chinesische Vizeminister für Landwirtschaft Chen Xiao Hua. Das sei die politische Strategie Chinas, um 1,3 Millionen Menschen zu ernähren. Ähnlich sieht das auch der indonesische Agrarminister Anton Apriyantono. 2008 sei die Produktion von Reis, dem Hauptnahrungsmittel seines Landes, um acht Prozent gesteigert worden, ohne der Natur Flächen zu rauben. Er verwies sogar darauf, dass ihnen noch viel Land auf den Inseln, z. B. auf Sumatra und Papua, zusätzlich zum Reisanbau zur Verfügung steht. Kein Wort jedoch zu den Hungeraufständen auch in seinem Land Anfang 2008.

Die EU-Agrarkommissarin Mariann Fischer-Boel glaubt ganz fest an die Kräfte des Marktes, der alles richtet. Doch sie musste auch die Verantwortung der Politik zugeben. Den Menschen in den Entwicklungsländern sollte nicht der Fisch, sondern die Angel und das Know how für den Fischteich gegeben werden, damit sie sich selbst helfen. Was aber, wenn dem Hungernden die Kraft fehlt, die Angel zu halten – diese Frage fand keine Antwort. Vernünftig ihr Vorschlag für Kleinkredite (auch aus dem EU-Haushaltsüberschuss), um damit die Landflucht einzudämmen. Die Debatten um die Konkurrenz der Produktion von Nahrungsgütern und Bioenergie hält Fischer-Boel aller bisherigen Kritik zum Trotz für einen Nebenkriegsschauplatz. Die Forschung konzentriere sich darauf, die Nutzung von Abprodukten wie Stroh, Schlachtabfällen, Holzhackschnitzeln zu beschleunigen.

Wird es einen globalen Entwicklungsplan für den Kampf gegen den Hunger geben? Die Antwort darauf war dünn: Wir diskutieren noch darüber. Der russische Agrarminister Alexej Gordejew machte allerdings den bemerkenswerten Vorschlag, die Agrarpolitik stärker an die UN-Ernährungsorganisation FAO zu binden.

Dem gleichen Thema wie die Ministerrunde widmete sich das Internationale Forum Agrar- und Ernährungswirtschaft. Im Gegensatz zur EU-Kommissarin stritt Bauernverbandspräsident Gerd Sonnleitner ab, dass der Markt allein die Lösung bringen kann.

Auf dem Forum führte jedoch die Industrie das Wort. Und so sahen sowohl BASF-Vorstand Stefan Marcinkowski als auch Kali-und-Salz-Vorstand Norbert Steiner und Martin Richenhagen vom USA- Landmaschinenkonzern AGCO den einzigen Lösungsweg für die Ernährungsprobleme in der Investition in neue Technologien: mehr Mineraldünger, mehr Hochleistungsmaschinen, ja, so Marcinkowski, »eine zweite grüne Revolution durch Biotechnologie«. Hier müssten sich Deutschland, die EU endlich öffnen. Weltweit aber werden bereits auf 110 Millionen Hektar Land genveränderte Pflanzen angebaut.

In beiden Foren saßen weder Bauern noch Umwelt- und Naturschützer im Podium. Sie hätten anderes zu sagen gehabt.

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