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Ochsentour und Elefantenrunde

  • Hans-Dieter Schütt
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Autor ist Feuilleton-Redakteur des »Neuen Deutschland«.
Der Autor ist Feuilleton-Redakteur des »Neuen Deutschland«.

Roland Koch wollte kein TV-Duell mit Thorsten Schäfer-Gümbel. Wahrscheinlich fürchtete er unerwartete Schlagfertigkeit, nachdem die »Süddeutsche Zeitung« den SPD-Mann als hessische Antwort auf den Neuköllner Comedian Kurt Kroemer bezeichnet hatte.

Statt des Duells fand vor der Wahl die sattsam tierbeleidigende Elefantenrunde statt. Vom ZDF war allerdings warnend zu hören, sich vorm Duell gescheut zu haben, sei ein merkwürdig »passives« Signal aus Hessen und in diesem »Superjahr medialer Präsentationspflicht sehr ungeschickt«.

Damit sind die Weichen gestellt: Das Fernsehen mahnt seine Angestellten im politischen Außendienst. Denn Kandidat bleibt Kandidat. Freilich tut angesichts dessen, was in diesem Jahr auf uns zukommt, Erinnerung not. Ein Duell, das diesem Namen gerecht werden wollte, fand im Morgengrauen statt, nicht zu abendlichen Sendezeiten. Und es gab nur klare Alternativen: Leben oder Tod. In Fontanes »Effi Briest« lesen wir: »Alles erledigte sich rasch; die Schüsse fielen; Crampas stürzte.«

Wir sind indes in fatale Zeiten geraten. Der Missbrauch des Dramatischen, die Abmäßigung der Tragödien in die seichte Vermittlung, die Ideenflucht ins Moderatmachen der Welt – das ist ein unaufhaltsam grundsätzlicher Prozess geworden. Eine Münchner Studie spricht vom »Verlust der Authentizität, wenn sich Ausdruck und Charakter eines Politikers verstärkt über das Fernsehen mitteilt, das ein Instrument der Fremdsteuerung ist.« Nichts werde dem Zufall der Regungen überlassen, schon jetzt, so ein SWR-Report über die beginnenden Aufregungen im Wahljahr '09, seien »Erlebnisplaner aus dem Marketing-Geschäft« auf eine Weise mit »medialer Beratung« der Spitzenkandidaten zu Gange, dass einem die Assoziation zum klassischen Duell doch wieder in den Sinn kommt: Damals war man nach dem Aufeinanderprall tot, heute geht man schon leblos in den Sendebeginn hinein. Wir werden es erleben.

TV-Duell: Das bleibt wohl die wuchtlose Anmaßung wider eine Kultur, die einst tief in dem wurzelte, was an menschlichem Konflikt zum Roman, zum Schauspiel, zur Oper werden durfte. »Ach, könnte ich jemanden zum Duell fordern, so führe mir wohl wenigstens ein einziges Mal ein Schlag der Entschiedenheit durch die Seele, und sei es, dass es mich verbrennen würde.« Kleist. Weit weg vom Abtausch der geläufigen Totschlagargumente, die Politik-TV so erbärmlich am Leben halten. Es geht nur um den Schlag, den man hinterher bei den Leuten hat.

Der Sozialwissenschaftler Georg Franck prägte den Begriff vom »Kapitalismus der Aufmerksamkeit«, und dies bedeutet in der Politik: den Aufstieg in einer Partei unbedingt mit dem Reichtum an medialer Präsenz verbinden zu müssen. Nicht mehr die Ochsentour durch die Hinterzimmer der Ortsvereine macht den Politiker, sondern seine Sprungkraft über die »telegene Messlatte« (FAZ).

Natürlich kann eine Gesellschaft nicht unbegrenzt Aufmerksamkeit vergeben. Also wird, wie auf anderen Kapitalmärkten, der Konkurrenzkampf härter. Eine vergleichende Untersuchung zur Entwicklung des Fernsehverhaltens hochrangiger Politiker, an der mehrere deutsche Universitäten beteiligt waren, hat ergeben: Von Jahr zu Jahr nimmt die Problemtiefe, der Mut zum ungefügen Argumentieren beim öffentlich vorgeführten Denken ab. Es färbt ab, was die Regel ist: Der Stimmungskern des Öffentlichen wird von möglichst großem Leicht-Sinn bestimmt.

Von wendigen Politikern heißt es, sie seien intelligent, aber leider in der falschen Partei. Weit schlimmer wird irgendwann die Einschätzung sein, man sei auf dem falschen Sender zu sehen. Deshalb wird es in diesem Jahr, auf dem Weg zum Kanzler-Duell, bestimmt wieder eine gute Koordination zwischen Öffentlich-Rechtlichen und Privaten geben. Gemeinsam geht's besser – bergab.

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