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Neues Machtvakuum in Somalia

Äthiopiens Abzug löst Freude und Kämpfe aus

  • Anton Holberg
  • Lesedauer: 2 Min.
Die letzten äthiopischen Truppen

haben Somalia verlassen. Der Abzug ist Teil des Waffenstillstandsabkommens zwischen der Übergangsregierung und Teilen der Opposition. Doch Frieden ist nicht in Sicht.

Der Abzug der verhassten Äthiopier vergangene Woche wäre für einen Großteil der Bevölkerung ein Grund zum Feiern. Doch die Freudenfeste in Mogadischu wurden von Kämpfen überschattet, denen Dutzende Menschen zum Opfer fielen. Nicht viele wetten auf einen schnellen Frieden, auch wenn Abdirahim Isse Adow, Sprecher der Union der Islamischen Gerichte (UIC), dazu aufrief, nach dem Abzug der Äthiopier am Frieden in dem Krisenstaat zu arbeiten. Viel mehr spricht für Machtkämpfe zwischen islamischen Milizen, denen der einigende Erzfeind nun fehlt. Ein Sprecher der radikalislamischen Al Schabab-Miliz kündigte eine Fortsetzung des Kampfes und Angriffe auch auf die Friedenshüter der Afrikanischen Union (AU) an, die das von den Äthiopiern hinterlassene Machtvakuum schließen sollen.

Die 3400 Mann starke AU-Friedenstruppe, die von Uganda und Burundi gestellt wird, soll als Ordnungsmacht wirken. Sie gilt aber als zu schwach, um Gewalt wirksam einzudämmen. Die USA und die Vereinten Nationen bemühen sich bisher mit wenig Erfolg um eine Aufstockung. Kein Wunder, denn die von den USA im Zusammenhang mit ihrem »Krieg gegen den Terror« 2006 eingefädelte äthiopische Militäroperation hat schlimme Folgen gezeitigt: Unter dem Vorwand, die UIC-Regierung sei eine Art Al-Qaida-Regierung, wurde eine Zentralmacht gestürzt, die dem Land 15 Jahre nach Beginn des Bürgerkriegs aller gegen alle erstmals ein Mindestmaß an Stabilität gegeben hatte.

Die anschließenden Kämpfe zwischen dem sich formierenden Widerstand und dem »äthiopischen Erzfeind« und dessen Marionettenregierung forderte nicht nur rund 16 000 Tote und über eine Million Flüchtlinge. Er radikalisierte große Teile des Widerstands derart, dass nun in der Tat Al-Qaida-nahe Kräfte in Gestalt der Al-Shabab-Miliz eine Bedeutung erlangten, die sie unter der UIC-Herrschaft keineswegs hatten.

Überdies griff nach dem neuerlichen Zusammenbrechen der Zentralmacht die Piraterie um sich. Ehemalige Fischer, deren Fanggründe seit Beginn der 90er Jahre von internationalen Flotten illegal leergefischt und als kostenloses Mülllager genutzt wurden, kaperten über 110 Schiffe – und schufen den Vorwand für verstärkte militärische Präsenz von USA, EU, Russland, China...

Schließlich ist nun auch die Opposition gespalten. Ein in Djibouti sitzender Teil der UIC war zu einem Abkommen mit der Übergangsregierung TFG bereit, während die Shabab und der im eritreischen Exil weilende Teil der UIC das ablehnt. Blutige Auseinandersetzungen zwischen islamistischen Milizen sind die Folge. Wenig spricht dafür, dass sich das bald ändert.

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