Alarmsignale für den Wahlsieger

Der SPD läuft die Jugend weg, der CDU nutzt das nichts und die »Kleinen« holen jede dritte Stimme

Roland Koch darf sich als Wahlsieger betrachten – zwar konnte sich die CDU gegenüber der Landtagswahl vor einem Jahr kaum verbessern, doch der Kontrahent SPD stürzte ab. Enttäuschte SPD-Wähler sind allerdings kaum zur Union gegangen.

Auf die Alten kann die CDU sich verlassen: Nach wie vor sind die Christdemokraten in der Altersgruppe über 60 die stärkste Kraft. 46 Prozent der Stimmen erhielten sie bei den Ältesten, die aufgrund der demografischen Entwicklung bei Wahlen immer wichtiger und einflussreicher werden. Damit haben die Senioren Roland Kochs Ruf gerettet. Denn bei den Wählern unter 60 lag die Hessen-Union nur zwischen 32 und 34 Prozent, hat die Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen ermittelt.

Ist es ohnehin schon ein Alarmsignal für Koch, dass seine Partei trotz der riesigen Probleme der SPD praktisch auf dem Ergebnis des Vorjahres sitzen blieb, so kommen beim genauen Hinsehen noch zwei Dinge hinzu: Erstens hat nicht nur die SPD, sondern auch die CDU aufgrund der geringeren Wahlbeteiligung in absoluten Stimmen verloren. Und zweitens muss sich die CDU Gedanken darüber machen, dass sie bei den mittleren und jüngeren Generationen vergleichsweise wenig Kredit hat. Darüber kann auch die Tatsache nicht hinwegtäuschen, dass wegen der starken Verluste der SPD die Union in Hessen nun in allen Altersgruppen die Nase vorn hat. In den jüngeren Altersgruppen hat sich die SPD-Wählerschaft fast halbiert – bei den unter 30-Jährigen etwa fiel sie von 42 Prozent Anfang 2008 auf nun nur noch 22 Prozent zurück.

Das mag mit der Person Roland Kochs zu tun haben, der so ziemlich das Gegenteil eines politischen Sympathieträgers ist. Es hat aber auch damit zu tun, dass die Wähler in Hessen laut Forschungsgruppe Wahlen beim Zukunftsthema Schule und Bildung, das als wichtigstes im Wahlkampf empfunden wurde, der SPD mit 35 Prozent erheblich mehr Kompetenz zusprechen als der CDU mit 23 Prozent. Damit endet allerdings auch schon der Kompetenzvorsprung der Sozialdemokraten. Denn auf weiteren wichtigen Feldern liegt sie in den Augen der Wähler weit zurück: In Sachen Arbeitsplätze trauen 41 Prozent der CDU etwas zu, nur 17 Prozent der SPD; bei Wirtschaftsthemen steht es gar 42 zu 13.

Dennoch konnte die CDU offenbar kaum enttäuschte SPD-Wähler auffangen. Die hessischen Sozialdemokraten, auf einem historischen Tiefpunkt angekommen, haben sich seit der letzten Landtagswahl ein Jahr lang im Streit über den Umgang mit der Linkspartei zerlegt. Zwar waren sie diesmal klug genug, nicht wieder mit einer eindeutigen Absage an ein Linksbündnis in den Wahlkampf zu gehen. Aber die Kontroversen in der SPD sind so grundsätzlich und in der kurzen Zeit so wenig aufgearbeitet, dass ein Bild der Zerrissenheit bleibt. Profitiert haben davon die FDP, der wohl bisherige SPD-Wähler zugelaufen sind, die aber um keinen Preis Koch die Stimme geben wollten, und die Grünen.

Für die Linkspartei ist es ein Erfolg, mit leicht verbessertem prozentualen Ergebnis im Landtag zu bleiben. Fast die komplette Konkurrenz hatte gehofft und darauf hingearbeitet, dass die LINKE im Landtag nur eine kurze Episode bleibt. Eine scharfe Kampagne gegen die LINKE sowie interne Probleme haben den Wahlkampf erheblich erschwert. Dass sie es doch geschafft hat, trug dazu bei, dass die so genannten kleinen Parteien im Wiesbadener Landtag gut 35 Prozent ausmachen. Die Luft für Union und SPD wird dünner, wie sich schon bei anderen Wahlen gezeigt hat. Ein Trend, der sich in diesem Jahr fortsetzen dürfte – bis hin zur Bundestagswahl im Herbst.

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