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Bomben und Braunkohle

Das Volksbegehren gegen Tagebaue findet rund um Kyritz kaum Resonanz

  • Karl Hildebrandt
  • Lesedauer: 3 Min.

Das Volksbegehren »Keine neuen Tagebaue« bleibt fernab der Lausitz noch ohne Resonanz: Vier Unterschriften im Amt Neustadt/Dosse, 28 in Kyritz. Tagebaue wühlen hier scheinbar kaum jemanden auf. »Diese Gemeinde wehrt sich« steht in der Region an den Ortseingängen auf Schildern mit dem durchkreuzten Flieger. Ausdruck des langjährigen Einsatzes für die Freie Kyritz-Ruppiner Heide, des andauernden Widerstandes gegen das Bombodrom.

Zivilgesellschaftliches Engagement hat hier im Nordwesten Brandenburgs durchaus seinen festen Platz. Aber vielleicht gelangt basisdemokratische Kraft auch an Grenzen? Die Lausitz liegt diagonal am anderen Ende des Landes. Mit dem Volksbegehren versucht ein breites Initiativbündnis aus Umweltverbänden, Parteien und lokalen Gruppierungen, den von Landesregierung und Vattenfall geplanten Bau vier neuer Tagebaue und die damit verbundene Abbaggerung mehrerer Dörfer zu verhindern. Stattdessen sollen erneuerbare Energien voran und die Braunkohleförderung sozial verträglich zu Ende gebracht werden. 80 000 Unterschriften in den Meldebüros werden landesweit benötigt, Mitte Dezember waren es erst 6239.

»200 km Entfernung scheinen extrem viel.«, befindet Franz Josef Conraths. Als Kyritzer Stadtverordneter der Bündnisgrünen gehört er zu den Unterstützern des Kohle-Volksbegehrens. Die bisherige Resonanz sei ernüchternd. Doch er müsse auch anerkennen, dass es für die meisten Menschen in der Ostprignitz wie auch für die eigene Lokalpolitik andere Prioritäten gebe. Die Abbaggerungen in der Lausitz hätten keine unmittelbar spürbaren Folgen für die Menschen hier, und zudem seien klimapolitische Argumente oft nicht greifbar genug. Er verweist auch darauf, dass es etwa in Kyritz noch keine einzige Photovoltaikanlage gibt.

»Die herrschende Mentalität«, so sagt Conraths, »heißt überspitzt oftmals: Solange der Strom aus der Steckdose kommt und die Stube warm bleibt, ist mir der Rest egal.« Auch der LINKEN, die das Volksbegehren als Partei ebenfalls unterstützt, gelinge es vor Ort bisher kaum, die Bürger zu mobilisieren. Das öffentliche Werben solle aber in den verbleibenden Wochen erheblich ausgedehnt werden.

Sicher, keine Unterschrift kann auch ein Votum zum Anliegen des Volksbegehrens sein. Aber bedeuten die fast leeren Listen wirklich bewusste Ablehnung? Rentner Werner Horn aus dem Dorf Bantikow kennt das Volksbegehren und ist voller Sympathie. Dennoch hat er selbst noch nicht unterschrieben. »Die Hürden sind doch bewusst hoch gehängt. Ich müsste extra zum Amt nach Wusterhausen fahren«, kritisiert er das Verfahren, das seiner Meinung nach demokratische Beteiligung eher verhindere. Die oft weiten Wege zum Bürgerbüro sind ein wichtiger Faktor im Flächenland. Zumal Brandenburg das einzige Ost-Bundesland ist, dass keine dezentralen Unterschriftensammlungen und Briefmeldungen bei Volksbegehren zulässt.

»Wenn ich nicht informiert bin, kann ich auch nichts unterschreiben«, stellt Nico Niesig (20) aus Neustadt klar. Er hört erstmals vom laufenden Volksbegehren. Das Thema Braunkohleförderung sei natürlich klimapolitisch auch für ihn als Ostprignitzer relevant. Selbst eine Amtsmitarbeiterin weiß nichts von der Abstimmung. »Wieso erfährt man dazu nicht mehr aus der Presse und in den Nachrichten? Das ist doch schrecklich, dass dort noch mehr Landschaft zerstört werden soll.« Die sichtbar ausgeschilderten Unterschriftenlisten liegen 20 Meter entfernt im Amtsfoyer.

Noch bis zum 9. Februar haben die Menschen in der Ostprignitz und in ganz Brandenburg Zeit, ihren politischen Willen per Unterschrift zu bekunden – wenn sie denn vorher noch vom Volksbegehren erfahren. Wie das fernab der Lausitz funktionieren kann, zeigte am 6. Januar etwa eine Aktion im nahen Bad Wilsnack. Mit Musik und Imbiss lud eine lokale Initiative zur gemeinsamen Unterschrift ins Bürgerbüro ein.

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