Von den Brüdern eingeweiht

Alexander von Stauffenberg – der Historiker und Dichter

  • Armin Jähne
  • Lesedauer: 4 Min.
Alexander, Berthold und Claus (v.l.n.r.) im Lautlinger Garten, um 1918
Alexander, Berthold und Claus (v.l.n.r.) im Lautlinger Garten, um 1918

Im 3. und 4. Semester hing das Bild von Claus Schenk von Stauffenberg über meinem Bett im Moskauer Studentenwohnheim. Es war die Zeit, als ich russischen Kommilitonen für die dunkelsten zwölf Jahre deutscher Geschichte in Permanenz Rede und Antwort zu stehen hatte. Damals war mir die Existenz der Zwillingsbrüder des Verschwörers gegen Hitler noch unbekannt. Wenig später, als ich das kleine Werk »König Hieron II. von Syrakus« las, erfuhr ich von dem einen, der Althistoriker war. Dass dieser, Alexander von Stauffenberg (1905-1964), außerdem Gedichte schrieb und mit seinen Brüdern dem George-Kreis angehört hatte, davon erhielt ich erst jetzt Kenntnis aus der biografischen Skizze von Karl Christ, einem verdienstvollen Altertumswissenschaftler und Wissenschaftshistoriker.

Erwähnt werden sollte in diesem Zusammenhang noch, dass bereits 1968 Günter Katsch in Leipzig (betreut von Werner Berthold und Rigobert Günter) eine beachtenswerte Dissertation über Alexander Graf Schenk von Stauffenberg vorlegte; sie blieb leider ungedruckt. Nun also erinnert Christ erneut an diesen ungewöhnlichen und eigenwilligen Mann, der sich in keinerlei Muster einordnen lässt.

An der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität war er 1948 in Konkurrenz zum NS-belasteten Helmut Berve auf den althistorischen Lehrstuhl berufen worden. Stand Alexander Stauffenberg musisch und geistig-seelisch ganz im Banne seines »Meisters« Stefan George, so geriet er wissenschaftlich unter den Einfluss von Wilhelm Weber, zu dessen Schülerkreis er zählte. Der Althistoriker Weber, den er in Tübingen kennenlernte und bei dem er promovierte, war von 1932 bis 1945 Lehrstuhlinhaber an der Berliner Universität. Dort erregte er Aufsehen durch seine dezidierte Parteinahme für die Nazis.

Gerade für die Zeit des »Tausendjährigen Reiches« hätte man sich im Falle Alexander Stauffenberg und seiner Brüder eine gründlichere biografische Analyse gewünscht. Christ hingegen begnügt sich mit einer Kurzfassung, die tiefer lotende Fragen auslässt. Der Märtyrertod seiner Brüder, die eigene Sippenhaft in Gefängnissen und KZs sind das eine, das andere die vorherige Einstellung zum NS-Regime, Führerprinzip, zu Rassegesetzen, Verfolgung, Kriegsvorbereitung und Krieg.

1937 heiratete Alexander Stauffenberg Melitta Schiller, die »zwei der Rasse nach volljüdische Großeltern« besaß, 1941 aber durch Führererlass »deutschblütigen Personen gleichgestellt« wurde. Sie war Testpilotin für die JU 87 und 88, bekam das EK II und das Militärfliegerabzeichen in Gold mit Brillanten und Rubinen verliehen. Er selbst war Artillerieoffizier und wurde im Sommer 1944, obwohl er sich für ungeeignet hielt, als NS- Führungsoffizier nach Athen bestellt. Was dachte der Feingeist, als er, der Besatzer in Griechenland, an antikem Ort über »Tragödie und Staat im werdenden Athen« referierte. Christ deutet Widersprüchliches nur an.

In kursorischer Kürze werden die althistorischen Arbeiten und Spezialstudien abgehandelt, ausreichend genug, um ein beeindruckendes Bild zu erhalten. Bedauerlicherweise erfährt man fast nichts über des Wissenschaftlers politische Äußerungen in den 50er Jahren. Das Buch hätte viel verloren, wenn ihm nicht das vom Lektor Stefan von der Lahr initiierte Interview mit Gudula Knerr-Stauffenberg, Tochter aus zweiter Ehe, angehängt worden wäre. Da wird deutlich, dass Alexander Stauffenberg sehr wohl in die Pläne seiner Brüder eingeweiht war. Im Interview finden sich Antworten auf Fragen, die in der Darstellung nur eine Rolle am Rande spielen. Alexander Stauffenberg musste mit der Tatsache fertigwerden (und litt offenbar darunter), dass der Familie das Stigma »Verräter« anhaftete.

Bemerkenswert ist, was seine Tochter erzählt: »Als ich zum Beispiel meinen Führerschein machte, flog ich bei der Prüfung, nach dem ich sie bestanden hatte, aus dem Auto, weil der Prüfer meinen Namen las und sagte: ›Mit dem Schwein war ich mal in Hamburg zusammen. Den Führerschein kriegen sie von mir nicht‹«. Welch Armutszeugnis für die alte Bundesrepublik und welch Beispiel für den Ungeist, der immer noch und wieder Hirne und Herzen vergiftet.

Karl Christ: Der andere Stauffenberg. Der Historiker und Dichter Alexander von Stauffenberg. C.H. Beck, München 2008. 201 S., geb., 22,90 EUR.

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