nd-aktuell.de / 22.01.2009 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 8

Wie ungleich macht Politik?

DIW sieht auch politischen Einfluss für klaffende Schere beim Vermögen / Markus M. Grabka, wissenschaftlicher Mitarbeiter am DIW Berlin, hat die Studie zur Vermögensverteilung mit erstellt

Fragwürdig: Wie ungleich macht Politik?

ND: Was sind die zentralen Ursachen für die sich weiter öffnende Schere bei der Vermögensverteilung?
Grabka: Ein Hauptgrund ist sicher die zunehmende Bedeutung von Geld- und Betriebsvermögen. Obere Einkommensbezieher sind zudem stärker in der Lage, zu sparen. Auch das wirkt sich auf die Verteilung aus.

Welche Gruppen profitieren am stärksten von der ungleichen Verteilung – und welche mussten die stärksten Verluste hinnehmen?
Wenn man die berufliche Stellung als Gruppenkennzeichen heranzieht, weisen die Selbstständigen mit durchschnittlich 40 000 mehr Euro in 2007 klar die größten Zuwächse beim Vermögen auf. Die stärksten Verluste mussten Personen hinnehmen, die längerfristig von Arbeitslosigkeit betroffen sind.

Welche Rolle spielt Arbeitsmarktpolitik bei dieser Entwicklung?
Unsere Analysen deuten darauf hin, dass die Einführung des Arbeitslosengeldes II durchaus einen Beitrag dazu geleistet haben könnte, dass die Vermögenssituation der längerfristig Arbeitslosen sich verschlechterte. Im Ost-West-Vergleich ist erkennbar, dass die mittleren Altersgruppen in Ostdeutschland stärker Vermögen abgebaut haben. Es ist auch hier zu vermuten, dass die Arbeitsmarktreformen mit dem ALG II einen Beitrag dazu geleistet haben.

Das durchschnittliche Vermögen der Menschen in Ostdeutschland beträgt ein Drittel von dem der Westdeutschen. Im Westen hat es nach Ihren Ermittlungen zwischen 2002 und 2007 Zuwächse gegeben, im Osten dagegen Vermögensverluste. Wie ist das zu erklären?
Zentrale Ursache für die rückläufigen Vermögenswerte in Ostdeutschland sind letztlich die sinkenden Marktwerte der Immobilien. Hier zeigt sich nach unserer Analyse, dass der durchschnittliche Wert von selbstgenutztem Immobilienbesitz im Osten um etwa zehn Prozentpunkte zurückgegangen ist. In Westdeutschland stieg dagegen der Immobilienwert erfreulicherweise um zehn Prozent.

Sie kritisieren, dass auch aktuelle politische Reformen die Schere weiter öffnen ...
Wenn man sich die zum 1. Januar 2009 reformierte Erbschafts- und Schenkungssteuer herausgreift, ist klar zu sagen, dass sich mit der Anhebung der Freibeträge die sozialstrukturelle Ungleichheit bei der Vermögensverteilung weiter konserviert. Tendenziell kann man sogar davon ausgehen, dass hier eine dauerhafte Zunahme der Ungleichheit zu beobachten ist.

Mit der ebenfalls zum 1. Januar 2009 reformierten Abgeltungssteuer werden obere Einkommensbezieher weiter entlastet, weil derzeit nur der pauschale Steuersatz angewendet wird und nicht der individuelle Steuersatz. Das heißt, dass also gerade die Wohlhabenden ganz klar mit dieser Reformmaßnahme entlastet werden.

Welche politischen Maßnahmen wären stattdessen nötig, um der Ungleichverteilung entgegenzusteuern?
Eine Vermögenssteuer, wie sie vielen als erstes einfallen mag, lehnen wir ab, weil sie leistungsmäßig bezogenes Vermögen belastet. Sinnvoll erscheint uns stattdessen eine weitere Reform der Erbschafts- und Schenkungssteuer. Mit diesem Instrument wird leistungslos bezogenes Vermögen besteuert. Bei den derzeit ungemein hohen Freibeträgen, die die sozialstrukturelle Ungleichheit verfestigen, sehen wir durchaus Nachbesserungsbedarf. Im Moment sind das umgerechnet eine Million D-Mark! Wir empfehlen der Politik, an diese Reform noch einmal heranzugehen.

Fragen: Ina Beyer