Kultur des Misstrauens

  • Oliver Händler
  • Lesedauer: 2 Min.

Lidl, Telekom und nun die Bahn – die Liste der Spitzelunternehmen reißt nicht ab. Sollten sich die Vorwürfe bestätigen, dass Telefondaten, E-Mails und sogar Kontoumsätze von Mitarbeitern an Dritte heimlich weitergeleitet wurden, zeigt dies wieder einmal, wie tief die Hemmschwelle vor einem Eindringen in die Privatsphäre gesunken ist.

Völlig ohne Verdachtsmomente ausgestattet, beauftragte das Staatsunternehmen nach Informationen des »stern« für Hunderttausende Euro eine Detektei damit, in über 700 Fällen zu überprüfen, ob eigene Führungskräfte anderen Firmen illegal Aufträge zuschanzten – ohne die Betroffenen zu informieren und ohne Unrechtsbewusstsein. Dass die Bahn nun in Pressemeldungen behauptet, die Datenschützer hätten nichts zu beanstanden, diese das aber sofort dementieren, lässt am Willen zur Aufklärung auf Seiten der Bahn zweifeln und beschädigt den Glauben an eine aufrechte Korruptionsbekämpfung im Unternehmen.

Es ist eine Kultur des Misstrauens entstanden, an der die Politik nicht unschuldig ist. Ein Innenminister nach dem anderen ruft nach Gesetzen, die an der Unberührbarkeit des Privaten knabbern. Große Unternehmen verlieren in dieser Atmosphäre offenbar jegliche Grenzen aus den Augen und das Vertrauen in ihre Mitarbeiter. So lange sich niemand betroffen fühlt, bleibt der Protest dagegen gering. Wenn ohne Verdacht gerastert wird, gilt selbst die Ausrede nicht mehr, dass diejenigen, die nichts zu verbergen hätten, auch nichts befürchten müssten. Dabei kann das Stöbern in intimen E-Mails ebenso verletzend sein wie die Kamera am Arbeitsplatz oder in der Bürotoilette.

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